nicht scheuen. Aber ein treuer Untertan, ein aufrichtiger Katholike! - (Es gesellt sich nach und nach allerlei Volk zu ihnen und horcht. - Vansen tritt dazu.) Vansen. Gott græ¼æŸ' euch Herren! Was Neues? Zimmermeister. Gebt euch mit dem nicht ab, das ist ein schlechter Kerl. Jetter. Ist es nicht der Schreiber beim Doktor Wiets? Zimmermeister. Er hat schon viele Herren gehabt. Erst war er Schreiber, und wie ihn ein Patron nach dem andern fortjagte, Schelmstreiche halber, pfuscht er jetzt Notaren und Advokaten ins Handwerk und ist ein Branntweinzapf. (Es kommt mehr Volk zusammen und steht truppweise.) Vansen. Ihr seid auch versammelt, steckt die Kæ¶pfe zusammen. Es ist immer redenswert. Soest. Ich denk auch. Vansen. Wenn jetzt einer oder der andere Herz hæ¤tte, und einer oder der andere den Kopf dazu: wir kæ¶nnten die spanischen Ketten auf einmal sprengen. Soest. Herre! So mæ¼æŸt Ihr nicht reden. Wir haben dem Kæ¶nig geschworen. Vansen. Und der Kæ¶nig uns. Merkt das. Jetter. Das læ¤æŸt sich hæ¶ren! Sagt Eure Meinung. Einige andere. Horch, der versteht's. Der hat Pfiffe. Vansen. Ich hatte einen alten Patron, der besaæŸ Pergamente und Briefe von uralten Stiftungen, Kontrakten und Gerechtigkeiten; er hielt auf die rarsten Bæ¼cher. In einem stand unsere ganze Verfassung: wie uns Niederlæ¤nder zuerst einzelne Fæ¼rsten regierten, alles nach hergebrachten Rechten, Privilegien und Gewohnheiten; wie unsre Vorfahren alle Ehrfurcht fæ¼r ihren Fæ¼rsten gehabt, wenn er sie regiert, wie er sollte; und wie sie sich gleich vorsahen, wenn er æ¼ber die Schnur hauen wollte. Die Staaten waren gleich hinterdrein: denn jede Provinz, so klein sie war, hatte ihre Staaten, ihre Landstæ¤nde. Zimmermeister. Haltet Euer Maul! das weiæŸ man lange! Ein jeder rechtschaffene Bæ¼rger ist, so viel er braucht, von der Verfassung unterrichtet. Jetter. LaæŸt ihn reden; man erfæ¤hrt immer etwas mehr. Soests. Er hat ganz recht. Mehrere. Erzæ¤hlt! erzæ¤hlt! So was hæ¶rt man nicht alle Tage. Vansen. So seid ihr Bæ¼rgersleute! Ihr lebt nur so in den Tag hin; und wie ihr euer Gewerb' von euern Eltern æ¼berkommen habt, so laæŸt ihr auch das Regiment æ¼ber euch schalten und walten, wie es kann und mag. Ihr fragt nicht nach dem Herkommen, nach der Historie, nach dem Recht eines Regenten; und æ¼ber das Versæ¤umnis haben euch die Spanier das Netz æ¼ber die Ohren gezogen. Soests. Wer denkt da dran? wenn einer nur das tæ¤gliche Brot hat. Jetter. Verflucht! Warum tritt auch keiner in Zeiten auf und sagt einem so etwas? Vansen. Ich sag es euch jetzt. Der Kæ¶nig in Spanien, der die Provinzen durch gut Glæ¼ck zusammen besitzt, darf doch nicht drin schalten und walten anders als die kleinen Fæ¼rsten, die sie ehemals einzeln besaæŸen. Begreift ihr das? Jetter. Erklæ¤rt's uns. Vansen. Es ist so klar als die Sonne. Mæ¼æŸt ihr nicht nach euern Landrechten gerichtet werden? Woher kæ¤me das? Ein Bæ¼rger. Wahrlich! Vansen. Hat der Bræ¼sseler nicht ein ander Recht als der Antwerper? der Antwerper als der Genter? Woher kæ¤me denn das? Anderer Bæ¼rger. Bei Gott! Vansen. Aber, wenn ihr's so fortlaufen laæŸt, wird man's euch bald anders weisen. Pfui! Was Karl der Kæ¼hne, Friedrich der Krieger, Karl der Fæ¼nfte nicht konnten, das tut nun Philipp durch ein Weib. Soests. Ja, ja! Die alten Fæ¼rsten haben's auch schon probiert. Vansen. Freilich! - Unsere Vorfahren paæŸten auf. Wie sie einem Herrn gram wurden, fingen sie ihm etwa seinen Sohn und Erben weg, hielten ihn bei sich und gaben ihn nur auf die besten Bedingungen heraus. Unsere Væ¤ter waren Leute! Die wuæŸten, was ihnen næ¼tz war! Die wuæŸten etwas zu fassen und festzusetzen! Rechte Mæ¤nner! Dafæ¼r sind aber auch unsere Privilegien so deutlich, unsere Freiheiten so versichert. Seifensieder. Was sprecht Ihr von Freiheiten? Das Volk. Von unsern Freiheiten, von unsern Privilegien! Erzæ¤hlt noch was von unsern Privilegien. Vansen. Wir Brabanter besonders, obgleich alle Provinzen ihre Vorteile haben, wir sind am herrlichsten versehen. Ich habe alles gelesen. Soests. Sagt an. Jetter. LaæŸt hæ¶ren. Ein Bæ¼rger. Ich bitt Euch. Vansen. Erstlich steht geschrieben: Der Herzog von Brabant soll uns ein guter und getreuer Herr sein. Soests. Gut! Steht das so? Jetter. Getreu? Ist das wahr? Vansen. Wie ich euch sage. Er ist uns verpflichtet, wie wir ihm. Zweitens: Er soll keine Macht oder eignen Willen an uns beweisen, merken lassen, oder gedenken zu gestatten, auf keinerlei Weise. Jetter. Schæ¶n! Schæ¶n! nicht beweisen. Soests. Nicht merken lassen. Ein anderer. Und nicht gedenken zu gestatten! Das ist der Hauptpunkt. Niemanden gestatten, auf keinerlei Weise. Vansen. Mit ausdræ¼cklichen Worten. Jetter. Schafft uns das Buch. Ein Bæ¼rger. Ja, wir mæ¼ssen's haben. Andere. Das Buch! das Buch! Ein anderer. Wir wollen zu der Regentin gehen mit dem Buche. Ein anderer. Ihr sollt das Wort fæ¼hren, Herr Doktor. Seifensieder. O die Træ¶pfe! Andere. Noch etwas aus dem Buche! Seifensieder. Ich schlage ihm die Zæ¤hne in den Hals, wenn er noch ein Wort sagt. Das Volk. Wir wollen sehen, wer ihm etwas tut. Sagt uns was von den Privilegien! Haben wir noch mehr Privilegien? Vansen. Mancherlei, und sehr gute, sehr heilsame. Da steht auch: Der Landsherr soll den geistlichen Stand nicht verbessern oder mehren, ohne Verwilligung des Adels und der Stæ¤nde! Merkt das! Auch den Staat des Landes nicht veræ¤ndern. Soest. Ist das so? Vansen. Ich will's euch geschrieben zeigen, von zwei-, dreihundert Jahren her. Bæ¼rger. Und wir leiden die neuen Bischæ¶fe? Der Adel muæŸ uns schæ¼tzen, wir fangen Hæ¤ndel an! Andere. Und wir lassen uns von der Inquisition ins Bockshorn jagen? Vansen. Das ist eure Schuld. Das Volk. Wir haben noch Egmont! noch Oranien! Die sorgen fæ¼r unser Bestes! Vansen. Eure Bræ¼der in Flandern haben das gute Werk angefangen. Seifensieder. Du Hund! (Er schlæ¤gt ihn.) Andere (widersetzen sich und rufen). Bist du auch ein Spanier? Ein anderer. Was? den Ehrenmann? Ein anderer. Den Gelahrten? (Sie fallen den Seifensieder an.) Zimmermeister. Um's Himmels willen, ruht! (Andere mischen sich in den Streit.) Zimmermeister. Bæ¼rger, was soll das? (Buben pfeifen, werfen mit Steinen, hetzen Hunde an, Bæ¼rger stehn und gaffen, Volk læ¤uft zu, andere gehn gelassen auf und ab, andere treiben allerlei Schalkspossen, schreien und jubilieren.) Andere. Freiheit und Privilegien! Privilegien und Freiheit! (Egmont tritt auf mit Begleitung.) Egmont. Ruhig! Ruhig, Leute! Was gibt's? Ruhe! Bringt sie aus einander! Zimmermeister. Gnæ¤diger Herr, Ihr kommt wie ein Engel des Himmels. Stille! seht ihr nichts? Graf Egmont! Dem Grafen Egmont Reverenz! Egmont. Auch hier? Was fangt ihr an? Bæ¼rger gegen Bæ¼rger! Hæ¤lt sogar die Næ¤he unsrer kæ¶niglichen Regentin diesen Unsinn nicht zuræ¼ck? Geht auseinander, geht an euer Gewerbe. Es ist ein æ¼bles Zeichen, wenn ihr an Werktagen feiert. Was war's? (Der Tumult stillt sich nach und nach, und alle stehen um ihn herum.) Zimmermeister. Sie schlagen sich um ihre Privilegien. Egmont. Die sie noch mutwillig zertræ¼mmern werden - Und wer seid Ihr? Ihr scheint mir rechtliche Leute. Zimmermeister. Das ist unser Bestreben. Egmont. Eures Zeichens? Zimmermeister. Zimmermann und Zunftmeister. Egmont. Und Ihr? Soest. Kræ¤mer. Egmont. Ihr? Jetter. Schneider. Egmont. Ich erinnere mich, Ihr habt mit an den Livreen fæ¼r meine Leute gearbeitet. Euer Name ist Jetter. Jetter. Gnade, daæŸ Ihr Euch dessen erinnert. Egmont. Ich vergesse niemanden leicht, den ich einmal gesehen und gesprochen habe. - Was an euch ist, Ruhe zu erhalten, Leute, das tut; ihr seid æ¼bel genug angeschrieben. Reizt den Kæ¶nig nicht mehr, er hat zuletzt doch die Gewalt in Hæ¤nden. Ein ordentlicher Bæ¼rger, der sich ehrlich und fleiæŸig næ¤hrt, hat æ¼berall so viel Freiheit, als er braucht. Zimmermeister. Ach wohl! das ist eben unsre Not! Die Tagdiebe, die Sæ¶ffer, die Faulenzer, mit Euer Gnaden Verlaub, die stæ¤nkern aus Langerweile und scharren aus Hunger nach Privilegien und læ¼gen den Neugierigen und Leichtglæ¤ubigen was vor, und um eine Kanne Bier bezahlt zu kriegen, fangen sie Hæ¤ndel an, die viel tausend Menschen unglæ¼cklich machen. Das ist ihnen eben recht. Wir halten unsre Hæ¤user und Kasten zu gut verwahrt; da mæ¶chten sie gern uns mit Feuerbræ¤nden davontreiben. Egmont. Allen Beistand sollt ihr finden; es sind MaæŸregeln genommen, dem æœbel kræ¤ftig zu begegnen. Steht fest gegen die fremde Lehre und glaubt nicht, durch Aufruhr befestige man Privilegien. Bleibt zu Hause; leidet nicht, daæŸ sie sich auf den StraæŸen rotten. Vernæ¼nftige Leute kæ¶nnen viel tun. (Indessen hat sich der græ¶æŸte Haufe verlaufen.) Zimmermeister. Danken Euer Exzellenz, danken fæ¼r die gute Meinung! Alles, was an uns liegt. (Egmont ab.) Ein gnæ¤diger Herr! der echte Niederlæ¤nder! Gar so nichts Spanisches. Jetter. Hæ¤tten wir ihn nur zum Regenten! Man folgt' ihm gerne. Soest. Das læ¤æŸt der Kæ¶nig wohl sein. Den Platz besetzt er immer mit den Seinigen. Jetter. Hast du das Kleid gesehen? Das war nach der neuesten Art, nach spanischem Schnitt. Zimmermeister. Ein schæ¶ner Herr! Jetter. Sein Hals wæ¤r' ein rechtes Fressen fæ¼r einen Scharfrichter. Soest. Bist du toll? was kommt dir ein! Jetter. Dumm genug, daæŸ einem so etwas einfæ¤llt. - Es ist mir nun so. Wenn ich einen schæ¶nen langen Hals sehe, muæŸ ich gleich wider Willen denken: der ist gut kæ¶pfen. - Die verfluchten Exekutionen! man kriegt sie nicht aus dem Sinne. Wenn die Bursche schwimmen, und ich seh einen nackten Buckel, gleich fallen sie mir zu Dutzenden ein, die ich habe mit Ruten streichen sehen. Begegnet mir ein rechter Wanst, mein ich, den sæ¤h' ich schon am Pfahl braten. Des Nachts im Traume zwickt mich's an allen Gliedern; man wird eben keine Stunde froh. Jede Lustbarkeit, jeden SpaæŸ hab ich bald vergessen; die fæ¼rchterlichen Gestalten sind mir wie vor die Stirne gebrannt. Egmonts Wohnung Sekretæ¤r an einem Tisch mit Papieren, er steht unruhig auf. Sekretæ¤r. Er kommt immer nicht! und ich warte schon zwei Stunden, die Feder in der Hand,. die Papiere vor mir; und eben heute mæ¶cht' ich gern so zeitig fort. Es brennt mir unter den Sohlen. Ich kann vor Ungeduld kaum bleiben. Ñ»Sei auf die Stunde daÑ«, befahl er mir noch, ehe er wegging; nun kommt er nicht. Es ist so viel zu tun, ich werde vor Mitternacht nicht fertig. Freilich sieht er einem auch einmal durch die Finger. Doch hielt' ich's besser, wenn er strenge wæ¤re und lieæŸe einen auch wieder zur bestimmten Zeit. Man kæ¶nnte sich einrichten. Von der Regentin ist er nun schon zwei Stunden weg; wer weiæŸ, wen er unterwegs angefaæŸt hat. (Egmont tritt auf.) Egmont. Wie sieht's aus? Sekretæ¤r. Ich bin bereit, und drei Boten warten. Egmont. Ich bin dir wohl zu lang geblieben; du machst ein verdrieæŸlich Gesicht. Sekretæ¤r. Euerm Befehl zu gehorchen, wart ich schon lange. Hier sind die Papiere! Egmont. Donna Elvira wird bæ¶se auf mich werden, wenn sie hæ¶rt, daæŸ ich dich abgehalten habe. Sekretæ¤r. Ihr scherzt. Egmont. Nein, nein. Schæ¤me dich nicht. Du zeigst einen guten Geschmack. Sie ist hæ¼bsch; und es ist mir ganz recht, daæŸ du auf dem Schlosse eine Freundin hast. Was sagen die Briefe? Sekretæ¤r. Mancherlei und wenig Erfreuliches. Egmont. Da ist gut, daæŸ wir die Freude zu Hause haben und sie nicht von auswæ¤rts zu erwarten brauchen. Ist viel gekommen? Sekretæ¤r. Genug, und drei Boten warten. Egmont. Sag an! das Næ¶tigste! Sekretæ¤r. Es ist alles næ¶tig. Egmont. Eins nach dem andern, nur geschwind! Sekretæ¤r. Hauptmann Breda schickt die Relation, was weiter in Gent und der umliegenden Gegend vorgefallen. Der Tumult hat sich meistens gelegt. - Egmont. Er schreibt wohl noch von einzelnen Ungezogenheiten und Tollkæ¼hnheiten? Sekretæ¤r. Ja! Es kommt noch manches vor. Egmont. Verschone mich damit. Sekretæ¤r. Noch sechs sind eingezogen worden, die bei Wervicq das Marienbild umgerissen haben. Er fragt an, ob er sie auch wie die andern soll hæ¤ngen lassen? Egmont. Ich bin des Hæ¤ngens mæ¼de. Man soll sie durchpeitschen, und sie mæ¶gen gehen. Sekretæ¤r. Es sind zwei Weiber dabei; soll er die auch durchpeitschen? Egmont. Die mag er verwarnen und laufenlassen. Sekretæ¤r. Brink von Bredas Kompanie will heiraten. Der Hauptmann hofft, Ihr werdet's ihm abschlagen. Es sind so viele Weiber bei dem Haufen, schreibt er, daæŸ, wenn wir ausziehen, es keinem Soldatenmarsch, sondern einem Zigeunergeschleppe æ¤hnlich sehen wird. Egmont. Dem mag's noch hingehen! Es ist ein schæ¶ner junger Kerl; er bat mich noch gar dringend, eh' ich wegging. Aber nun soll's keinem mehr gestattet sein, so leid mir's tut, den armen Teufeln, die ohnedies geplagt genug sind, ihren besten SpaæŸ zu versagen. Sekretæ¤r. Zwei von Euern Leuten, Seter und Hart, haben einem Mæ¤del, einer Wirtstochter, æ¼bel mitgespielt. Sie kriegten sie allein, und die Dirne konnte sich ihrer nicht erwehren. Egmont. Wenn es ein ehrlich Mæ¤dchen ist, und sie haben Gewalt gebraucht, so soll er sie drei Tage hintereinander mit Ruten streichen lassen, und wenn sie etwas besitzen, soll er so viel davon einziehen, daæŸ dem Mæ¤dchen eine Ausstattung gereicht werden kann. Sekretæ¤r. Einer von den fremden Lehrern ist heimlich durch Comines gegangen und entdeckt worden. Er schwæ¶rt, er sei im Begriff, nach Frankreich zu gehen. Nach dem Befehl soll er enthauptet werden. Egmont. Sie sollen ihn in der Stille an die Grenze bringen und ihm versichern, daæŸ er das zweitemal nicht so wegkommt. Sekretæ¤r. Ein Brief von Euerm Einnehmer. Er schreibt: es komme wenig Geld ein, er kæ¶nne auf die Woche die verlangte Summe schwerlich schicken; der Tumult habe in alles die græ¶æŸte Konfusion gebracht. Egmont. Das Geld muæŸ herbei! er mag sehen, wie er es zusammenbringt. Sekretæ¤r. Er sagt, er werde sein mæ¶glichstes tun und wolle endlich den Raymond, der Euch so lange schuldig ist, verklagen und in Verhaft nehmen lassen. Egmont. Der hat ja versprochen zu bezahlen. Sekretæ¤r. Das letztemal setzte er sich selbst vierzehn Tage. Egmont. So gebe man ihm noch vierzehn Tage; und dann mag er gegen ihn verfahren. Sekretæ¤r. Ihr tut wohl. Es ist nicht Unvermæ¶gen; es ist bæ¶ser Wille. Er macht gewiæŸ Ernst, wenn er sieht, Ihr spaæŸt nicht. - Ferner sagt der Einnehmer: er wolle den alten Soldaten, den Witwen und einigen andern, denen Ihr Gnadengehalte gebt, die Gebæ¼hr einen halben Monat zuræ¼ckhalten; man kæ¶nne indessen Rat schaffen; sie mæ¶chten sich einrichten. Egmont. Was ist da einzurichten? Die Leute brauchen das Geld næ¶tiger als ich. Das soll er bleibenlassen. Sekretæ¤r. Woher befehlt Ihr denn, daæŸ er das Geld nehmen soll? Egmont. Darauf mag er denken; es ist ihm im vorigen Briefe schon gesagt. Sekretæ¤r. Deswegen tut er die Vorschlæ¤ge. Egmont. Die taugen nicht, er soll auf was anders sinnen. Er soll Vorschlæ¤ge tun, die annehmlich sind, und vor allem soll er das Geld schaffen. Sekretæ¤r. Ich habe den Brief des Grafen Oliva wieder hiehergelegt. Verzeiht, daæŸ ich Euch daran erinnere. Der alte Herr verdient vor allen andern eine ausfæ¼hrliche Antwort. Ihr wolltet ihm selbst schreiben. GewiæŸ, er liebt Euch wie ein Vater. Egmont. Ich komme nicht dazu. Und unter vielem VerhaæŸten ist mir das Schreiben das VerhaæŸteste. Du machst meine Hand ja so gut nach, schreib in meinem Namen. Ich erwarte Oranien. Ich komme nicht dazu; und wæ¼nschte selbst, daæŸ ihm auf seine Bedenklichkeiten was recht Beruhigendes geschrieben wæ¼rde. Sekretæ¤r. Sagt mir nur ungefæ¤hr Eure Meinung; ich will die Antwort schon aufsetzen und sie Euch vorlegen. Geschrieben soll sie werden, daæŸ sie vor Gericht fæ¼r Eure Hand gelten kann. Egmont. Gib mir den Brief. (Nachdem er hineingesehen.) Guter ehrlicher Alter! Warst du in deiner Jugend auch wohl so bedæ¤chtig? Erstiegst du nie einen Wall? Bliebst du in der Schlacht, wo es die Klugheit anræ¤t, hinten? - Der treue, sorgliche! Er will mein Leben und mein Glæ¼ck und fæ¼hlt nicht, daæŸ der schon tot ist, der um seiner Sicherheit willen lebt. - Schreib ihm, er mæ¶ge unbesorgt sein; ich handle, wie ich soll, ich werde mich schon wahren: sein Ansehn bei Hofe soll er zu meinen Gunsten brauchen und meines vollkommnen Dankes gewiæŸ sein. Sekretæ¤r. Nichts weiter? O er erwartet mehr. Egmont. Was soll ich mehr sagen? Willst du mehr Worte machen, so steht's bei dir. Es dreht sich immer um den einen Punkt: ich soll leben, wie ich nicht leben mag. DaæŸ ich fræ¶hlich bin, die Sachen leicht nehme, rasch lebe, das ist mein Glæ¼ck; und ich vertausch es nicht gegen die Sicherheit eines Totengewæ¶lbes. Ich habe nun zu der spanischen Lebensart nicht einen Blutstropfen in meinen Adern; nicht Lust, meine Schritte nach der neuen bedæ¤chtigen Hofkadenz zu mustern. Leb ich nur, um aufs Leben zu denken? Soll ich den gegenwæ¤rtigen Augenblick nicht genieæŸen, damit ich des folgenden gewiæŸ sei? Und diesen wieder mit Sorgen und Grillen verzehren? Sekretæ¤r. Ich bitt Euch, Herr; seid nicht so harsch und rauh gegen den guten Mann. Ihr seid ja sonst gegen alle freundlich. Sagt mir ein gefæ¤llig Wort, das den edeln Freund beruhige. Seht, wie sorgfæ¤ltig er ist, wie leis er Euch beræ¼hrt. Egmont. Und doch beræ¼hrt er immer diese Saite. Er weiæŸ von alters her, wie verhaæŸt mir diese Ermahnungen sind; sie machen nur irre, sie helfen nichts. Und wenn ich ein Nachtwandler wæ¤re und auf dem gefæ¤hrlichen Gipfel eines Hauses spazierte, ist es freundschaftlich, mich beim Namen zu rufen und mich zu warnen, zu wecken und zu tæ¶ten? LaæŸt jeden seines Pfades gehn; er mag sich wahren. Sekretæ¤r. Es ziemt Euch, nicht zu sorgen, aber wer Euch kennt und liebt - Egmont (in den Brief sehend). Da bringt er wieder die alten Mæ¤rchen auf, was wir an einem Abend in leichtem æœbermut der Geselligkeit und des Weins getrieben und gesprochen; und was man daraus fæ¼r Folgen und Beweise durchs ganze Kæ¶nigreich gezogen und geschleppt habe. - Nun gut! wir haben Schellenkappen, Narrenkutten auf unsrer Diener æ„rmel sticken lassen, und haben diese tolle Zierde nachher in ein Bæ¼ndel Pfeile verwandelt; ein noch gefæ¤hrlicher Symbol fæ¼r alle, die deuten wollen, wo nichts zu deuten ist. Wir haben die und jene Torheit in einem lustigen Augenblick empfangen gleich und geboren; sind schuld, daæŸ eine ganze edle Schar mit Bettelsæ¤cken und mit einem selbstgewæ¤hlten Unnamen dem Kæ¶nige seine Pflicht mit spottender Demut ins Gedæ¤chtnis rief; sind schuld - was ist's nun weiter? Ist ein Fastnachtsspiel gleich Hochverrat? Sind uns die kurzen, bunten Lumpen zu miæŸgæ¶nnen, die ein jugendlicher Mut, eine angefrischte Phantasie um unsers Lebens arme Blæ¶æŸe hæ¤ngen mag? Wenn ihr das Leben gar zu ernsthaft nehmt, was ist denn dran? Wenn uns der Morgen nicht zu neuen Freuden weckt, am Abend uns keine Lust zu hoffen æ¼brigbleibt: ist's wohl des An- und Ausziehens wert? Scheint mir die Sonne heut, um das zu æ¼berlegen, was gestern war? und um zu raten, zu verbinden, was nicht zu erraten, nicht zu verbinden ist, das Schicksal eines kommenden Tages? Schenke mir diese Betrachtungen; wir wollen sie Schæ¼lern und Hæ¶flingen æ¼berlassen. Die mæ¶gen sinnen und aussinnen, wandeln und schleichen, gelangen, wohin sie kæ¶nnen, erschleichen, was sie kæ¶nnen. - Kannst du von allem diesem etwas brauchen, daæŸ deine Epistel kein Buch wird, so ist mir's recht. Dem guten Alten scheint alles viel zu wichtig. So dræ¼ckt ein Freund, der lang unsre Hand gehalten, sie stæ¤rker noch einmal, wenn er sie lassen will. Sekretæ¤r. Verzeiht mir, es wird dem FuæŸgæ¤nger schwindlig, der einen Mann, mit rasselnder Eile daherfahren sieht. Egmont. Kind! Kind! nicht weiter! Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch; und uns bleibt nichts, als, mutig gefaæŸt, die Zæ¼gel festzuhalten und bald rechts bald links, vom Steine hier vom Sturze da, die Ræ¤der wegzulenken. Wohin es geht, wer weiæŸ es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam. Sekretæ¤r. Herr! Herr! Egmont. Ich stehe hoch und kann und muæŸ noch hæ¶her steigen; ich fæ¼hle mir Hoffnung, Mut und Kraft. Noch hab ich meines Wachstums Gipfel nicht erreicht; und steh ich droben einst, so will ich fest, nicht æ¤ngstlich stehn. Soll ich fallen, so mag ein Donnerschlag, ein Sturmwind, ja ein selbst verfehlter Schritt mich abwæ¤rts in die Tiefe stæ¼rzen; da lieg ich mit viel Tausenden. Ich habe nie verschmæ¤ht, mit meinen guten Kriegsgesellen um kleinen Gewinst das blutige Los zu werfen; und sollt' ich knickern, wenn's um den ganzen freien Wert des Lebens geht? Sekretæ¤r. O Herr! Ihr wiæŸt nicht, was fæ¼r Worte Ihr sprecht! Gott erhalt' Euch! Egmont. Nimm deine Papiere zusammen. Oranien kommt. Fertige aus, was am næ¶tigsten ist, daæŸ die Boten fortkommen, eh die Tore geschlossen werden. Das andere hat Zeit. Den Brief an den Grafen laæŸ bis morgen; versæ¤ume nicht, Elviren zu besuchen, und græ¼æŸe sie von mir. - Horche, wie sich die Regentin befindet; sie soll nicht wohl sein, ob sie's gleich verbirgt. (Sekretæ¤r ab.) (Oranien kommt.) Egmont. Willkommen, Oranien. Ihr scheint mir nicht ganz frei. Oranien. Was sagt Ihr zu unsrer Unterhaltung mit der Regentin? Egmont. Ich fand in ihrer Art, uns aufzunehmen, nichts AuæŸerordentliches. Ich habe sie schon mehr so gesehen. Sie schien mir nicht ganz wohl. Oranien. Merktet Ihr nicht, daæŸ sie zuræ¼ckhaltender war? Erst wollte sie unser Betragen bei dem neuen Aufruhr des Pæ¶bels gelassen billigen; nachher merkte sie an, was sich doch auch fæ¼r ein falsches Licht darauf werfen lasse; wich dann mit dem Gespræ¤che zu ihrem alten gewæ¶hnlichen Diskurs: daæŸ man ihre liebevolle gute Art, ihre Freundschaft zu uns Niederlæ¤ndern, nie genug erkannt, zu leicht behandelt habe, daæŸ nichts einen erwæ¼nschten Ausgang nehmen wolle, daæŸ sie am Ende wohl mæ¼de werden, der Kæ¶nig sich zu andern MaæŸregeln entschlieæŸen mæ¼sse. Habt Ihr das gehæ¶rt? Egmont. Nicht alles; ich dachte unterdessen an was anders. Sie ist ein Weib, guter Oranien, und die mæ¶chten immer gern, daæŸ sich alles unter ihr sanftes Joch gelassen schmiegte, daæŸ jeder Herkules die Læ¶wenhaut ablegte und ihren Kunkelhof vermehrte; daæŸ, weil sie friedlich gesinnt sind, die Gæ¤rung, die ein Volk ergreift, der Sturm, den mæ¤chtige Nebenbuhler gegeneinander erregen, sich durch ein freundlich Wort beilegen lieæŸe und die widrigsten Elemente sich zu ihren Fæ¼æŸen in sanfter Eintracht vereinigten. Das ist ihr Fall; und da sie es dahin nicht bringen kann, so hat sie keinen Weg, als launisch zu werden, sich æ¼ber Undankbarkeit, Unweisheit zu beklagen, mit schrecklichen Aussichten in die Zukunft zu drohen, und zu drohen - daæŸ sie fortgehn will. Oranien. Glaubt Ihr dasmal nicht, daæŸ sie ihre Drohung erfæ¼llt? Egmont. Nimmermehr! Wie oft habe ich sie schon reisefertig gesehn! Wo will sie denn hin? Hier Statthalterin, Kæ¶nigin; glaubst du, daæŸ sie es unterhalten wird, am Hofe ihres Bruders unbedeutende Tage abzuhaspeln? oder nach Italien zu gehen und sich in alten Familienverhæ¤ltnissen herumzuschleppen? Oranien. Man hæ¤lt sie dieser EntschlieæŸung nicht fæ¤hig, weil Ihr sie habt zaudern, weil Ihr sie habt zuræ¼cktreten sehn; dennoch liegt's wohl in ihr; neue Umstæ¤nde treiben sie zu dem lang verzæ¶gerten EntschluæŸ. Wenn sie ginge? und der Kæ¶nig schickte einen andern? Egmont. Nun, der wæ¼rde kommen, und wæ¼rde eben auch zu tun finden. Mit groæŸen Planen, Projekten und Gedanken wæ¼rde er kommen, wie er alles zurechtræ¼cken, unterwerfen und zusammenhalten wolle; und wæ¼rde heut mit dieser Kleinigkeit, morgen mit einer andern zu tun haben, æ¼bermorgen jene Hindernis finden, einen Monat mit Entwæ¼rfen, einen andern mit VerdruæŸ æ¼ber fehlgeschlagne Unternehmen, ein halb Jahr in Sorgen æ¼ber eine einzige Provinz zubringen. Auch ihm wird die Zeit vergehn, der Kopf schwindeln und die Dinge wie zuvor ihren Gang halten, daæŸ er, statt weite Meere nach einer vorgezognen Linie zu durchsegeln, Gott danken mag, wenn er sein Schiff in diesem Sturme vom Felsen hæ¤lt. Oranien. Wenn man nun aber dem Kæ¶nig zu einem Versuch riete? Egmont. Der wæ¤re? Oranien. Zu sehen, was der Rumpf ohne Haupt anfinge. Egmont. Wie? Oranien. Egmont, ich trage viele Jahre her alle unsere Verhæ¤ltnisse am Herzen, ich stehe immer wie æ¼ber einem Schachspiele und halte keinen Zug des Gegners fæ¼r unbedeutend; und wie mæ¼æŸige Menschen mit der græ¶æŸten Sorgfalt sich um die Geheimnisse der Natur bekæ¼mmern, so halt ich es fæ¼r Pflicht, fæ¼r Beruf eines Fæ¼rsten, die Gesinnungen, die Ratschlæ¤ge aller Parteien zu kennen. Ich habe Ursach', einen Ausbruch zu befæ¼rchten. Der Kæ¶nig hat lange nach gewissen Grundsæ¤tzen gehandelt; er sieht, daæŸ er damit nicht auskommt; was ist wahrscheinlicher, als daæŸ er es auf einem andern Wege versucht? Egmont. Ich glaub's nicht. Wenn man alt wird und hat so viel versucht, und es will in der Welt nie zur Ordnung kommen, muæŸ man es endlich wohl genug haben. Oranien. Eins hat er noch nicht versucht. Egmont. Nun? Oranien. Das Volk zu schonen und die Fæ¼rsten zu verderben. Egmont. Wie viele haben das schon lange gefæ¼rchtet! Es ist keine Sorge. Oranien. Sonst war's Sorge; nach und nach ist mir's Vermutung, zuletzt GewiæŸheit geworden. Egmont. Und hat der Kæ¶nig treuere Diener als uns? Oranien. Wir dienen ihm auf unsere Art; und unter einander kæ¶nnen wir gestehen, daæŸ wir des Kæ¶nigs Rechte und die unsrigen wohl abzuwæ¤gen wissen. Egmont. Wer tut's nicht? Wir sind ihm untertan und gewæ¤rtig in dem, was ihm zukommt. Oranien. Wenn er sich nun aber mehr zuschriebe und Treulosigkeit nennte, was wir heiæŸen: auf unsre Rechte halten? Egmont. Wir werden uns verteidigen kæ¶nnen. Er rufe die Ritter des Vlieses zusammen, wir wollen uns richten lassen. Oranien. Und was wæ¤re ein Urteil vor der Untersuchung? eine Strafe vor dem Urteil? Egmont. Eine Ungerechtigkeit, der sich Philipp nie schuldig machen wird; und eine Torheit, die ich ihm und seinen Ræ¤ten nicht zutraue. Oranien. Und wenn sie nun ungerecht und tæ¶richt wæ¤ren? Egmont. Nein, Oranien, es ist nicht mæ¶glich. Wer sollte wagen, Hand an uns zu legen? - Uns gefangenzunehmen, wæ¤r' ein verlornes und fruchtloses Unternehmen. Nein, sie wagen nicht, das Panier der Tyrannei so hoch aufzustecken. Der Windhauch, der diese Nachricht æ¼bers Land bræ¤chte, wæ¼rde ein ungeheures Feuer zusammentreiben. Und wohinaus wollten sie? Richten und verdammen kann nicht der Kæ¶nig allein; und wollten sie meuchelmæ¶rderisch an unser Leben? - Sie kæ¶nnen nicht wollen. Ein schrecklicher Bund wæ¼rde in einem Augenblick das Volk vereinigen. HaæŸ und ewige Trennung vom spanischen Namen wæ¼rde sich gewaltsam erklæ¤ren. Oranien. Die Flamme wæ¼tete dann æ¼ber unserm Grabe, und das Blut unsrer Feinde flæ¶sse zum leeren Sæ¼hnopfer. LaæŸ uns denken, Egmont. Egmont. Wie sollten sie aber? Oranien. Alba ist unterwegs. Egmont. Ich glaub's nicht. Oranien. Ich weiæŸ es. Egmont. Die Regentin wollte nichts wissen. Oranien. Um desto mehr bin ich æ¼berzeugt. Die Regentin wird ihm Platz machen. Seinen Mordsinn kenn ich, und ein Heer bringt er mit. Egmont. Aufs neue die Provinzen zu belæ¤stigen? Das Volk wird hæ¶chst schwierig werden. Oranien. Man wird sich der Hæ¤upter versichern. Egmont. Nein! Nein! Oranien. LaæŸ uns gehen, jeder in seine Provinz. Dort wollen wir uns verstæ¤rken; mit offner Gewalt fæ¤ngt er nicht an. Egmont. Mæ¼ssen wir ihn nicht begræ¼æŸen, wenn er kommt? Oranien. Wir zæ¶gern. Egmont. Und wenn er uns im Namen des Kæ¶nigs bei seiner Ankunft fordert? Oranien. Suchen wir Ausflæ¼chte. Egmont. Und wenn er dringt? Oranien. Entschuldigen wir uns. Egmont. Und wenn er drauf besteht? Oranien. Kommen wir um so weniger. Egmont. Und der Krieg ist erklæ¤rt, und wir sind die Rebellen. Oranien, laæŸ dich nicht durch Klugheit verfæ¼hren; ich weiæŸ, daæŸ Furcht dich nicht weichen macht. Bedenke den Schritt. Oranien. Ich hab ihn bedacht. Egmont. Bedenke, wenn du dich irrst, woran du schuld bist; an dem verderblichsten Kriege, der je ein Land verwæ¼stet hat. Dein Weigern ist das Signal, das die Provinzen mit einmal zu den Waffen ruft, das jede Grausamkeit rechtfertigt, wozu Spanien von jeher nur gern den Vorwand gehascht hat. Was wir lange mæ¼hselig gestillt haben, wirst du mit einem Winke zur schrecklichsten Verwirrung aufhetzen. Denk an die Stæ¤dte, die Edeln, das Volk, an die Handlung, den Feldbau, die Gewerbe! und denke die Verwæ¼stung, den Mord! - Ruhig sieht der Soldat wohl im Felde seinen Kameraden neben sich hinfallen; aber den FluæŸ herunter werden dir die Leichen der Bæ¼rger, der Kinder, der Jungfrauen entgegenschwimmen, daæŸ du mit Entsetzen dastehst und nicht mehr weiæŸt, wessen Sache du verteidigst, da die zugrunde gehen, fæ¼r deren Freiheit du die Waffen ergriffst. Und wie wird dir's sein, wenn du dir still sagen muæŸt: Ñ»Fæ¼r meine Sicherheit ergriff ich sie.Ñ« Oranien. Wir sind nicht einzelne Menschen, Egmont. Ziemt es sich, uns fæ¼r Tausende hinzugeben, so ziemt es sich auch, uns fæ¼r Tausende zu schonen. Egmont. Wer sich schont, muæŸ sich selbst verdæ¤chtig werden. Oranien. Wer sich kennt, kann sicher vor- und ræ¼ckwæ¤rts gehen. Egmont. Das æœbel, das du fæ¼rchtest, wird gewiæŸ durch deine Tat. Oranien. Es ist klug und kæ¼hn, dem unvermeidlichen æœbel entgegenzugehn. Egmont. Bei so groæŸer Gefahr kommt die leichteste Hoffnung in Anschlag. Oranien. Wir haben nicht fæ¼r den leisesten FuæŸtritt Platz mehr; der Abgrund liegt hart vor uns. Egmont. Ist des Kæ¶nigs Gunst ein so schmaler Grund? Oranien. So schmal nicht, aber schlæ¼pfrig. Egmont. Bei Gott! man tut ihm Unrecht. Ich mag nicht leiden, daæŸ man unwæ¼rdig von ihm denkt! Er ist Karls Sohn und keiner Niedrigkeit fæ¤hig. Oranien. Die Kæ¶nige tun nichts Niedriges. Egmont. Man sollte ihn kennenlernen. Oranien. Eben diese Kenntnis ræ¤t uns, eine gefæ¤hrliche Probe nicht abzuwarten. Egmont. Keine Probe ist gefæ¤hrlich, zu der man Mut hat. Oranien. Du wirst aufgebracht, Egmont. Egmont. Ich muæŸ mit meinen Augen sehen. Oranien. O sæ¤hst du diesmal nur mit den meinigen! Freund, weil du sie offen hast, glaubst du, du siehst. Ich gehe! Warte du Albas Ankunft ab, und Gott sei bei dir! Vielleicht rettet dich mein Weigern. Vielleicht daæŸ der Drache nichts zu fangen glaubt, wenn er uns nicht beide auf einmal verschlingt. Vielleicht zæ¶gert er, um seinen Anschlag sicherer auszufæ¼hren; und vielleicht siehest du indes die Sache in ihrer wahren Gestalt. Aber dann schnell! schnell! Rette! rette dich! - Leb wohl! - LaæŸ deiner Aufmerksamkeit nichts entgehen: wieviel Mannschaft er mitbringt, wie er die Stadt besetzt, was fæ¼r Macht die Regentin behæ¤lt, wie deine Freunde gefaæŸt sind. Gib mir Nachricht - - - Egmont - Egmont. Was willst du? Oranien (ihn bei der Hand fassend). LaæŸ dich æ¼berreden! Geh mit! Egmont. Wie? Træ¤nen, Oranien? Oranien. Einen Verlornen zu beweinen, ist auch mæ¤nnlich. Egmont. Du wæ¤hnst mich verloren? Oranien. Du bist's. Bedenke! Dir bleibt nur eine kurze Frist. Leb wohl! (Ab.) Egmont (allein). DaæŸ andrer Menschen Gedanken solchen EinfluæŸ auf uns haben! Mir wæ¤r' es nie eingekommen; und dieser Mann træ¤gt seine Sorglichkeit in mich heræ¼ber. - Weg! - Das ist ein fremder Tropfen in meinem Blute. Gute Natur, wirf ihn wieder heraus! Und von meiner Stirne die sinnenden Runzeln wegzubaden, gibt es ja wohl noch ein freundlich Mittel. Dritter Aufzug Palast der Regentin Margarete von Parma. Margarete. Ich hæ¤tte mir's vermuten sollen. Ha! Wenn man in Mæ¼he und Arbeit vor sich hinlebt, denkt man immer, man tue das Mæ¶glichste; und der von weitem zusieht und befiehlt, glaubt, er verlange nur das Mæ¶gliche. - O die Kæ¶nige! - Ich hæ¤tte nicht geglaubt, daæŸ es mich so verdrieæŸen kæ¶nnte. Es ist so schæ¶n zu herrschen! - Und abzudanken? - Ich weiæŸ nicht, wie mein Vater es konnte; aber ich will es auch. (Machiavell erscheint im Grunde.) Regentin. Tretet næ¤her, Machiavell. Ich denke hier æ¼ber den Brief meines Bruders. Machiavell. Ich darf wissen, was er enthæ¤lt? Regentin. So viel zæ¤rtliche Aufmerksamkeit fæ¼r mich als Sorgfalt fæ¼r seine Staaten. Er ræ¼hmt die Standhaftigkeit, den FleiæŸ und die Treue, womit ich bisher fæ¼r die Rechte seiner Majestæ¤t in diesen Landen gewacht habe. Er bedauert mich, daæŸ mir das unbæ¤ndige Volk so viel zu schaffen mache. Er ist von der Tiefe meiner Einsichten so vollkommen æ¼berzeugt, mit der Klugheit meines Betragens so auæŸerordentlich zufrieden, daæŸ ich fast sagen muæŸ, der Brief ist fæ¼r einen Kæ¶nig zu schæ¶n geschrieben, fæ¼r einen Bruder gewiæŸ. Machiavell. Es ist nicht das erstemal, daæŸ er Euch seine gerechte Zufriedenheit bezeigt. Regentin. Aber das erstemal, daæŸ es rednerische Figur ist. Machiavell. Ich versteh Euch nicht. Regentin. Ihr werdet. - Denn er meint, nach diesem Eingange: ohne Mannschaft, ohne eine kleine Armee werde ich immer hier eine æ¼ble Figur spielen! Wir hæ¤tten, sagt er, unrecht getan, auf die Klagen der Einwohner unsre Soldaten aus den Provinzen zu ziehen. Eine Besatzung, meint er, die dem Bæ¼rger auf dem Nacken lastet, verbiete ihm durch ihre Schwere, groæŸe Spræ¼nge zu machen. Machiavell. Es wæ¼rde die Gemæ¼ter æ¤uæŸerst aufbringen. Regentin. Der Kæ¶nig meint aber, hæ¶rst du? - Er meint, daæŸ ein tæ¼chtiger General, so einer, der gar keine Ræ¤son annimmt, gar bald mit Volk und Adel, Bæ¼rgern und Bauern fertig werden kæ¶nne; - und schickt deswegen mit einem starken Heere - den Herzog von Alba. Machiavell. Alba? Regentin. Du wunderst dich? Machiavell. Ihr sagt: er schickt. Er fragt wohl, ob er schicken soll? Regentin. Der Kæ¶nig fragt nicht; er schickt. Machiavell. So werdet Ihr einen erfahrnen Krieger in Euren Diensten haben. Regentin. In meinen Diensten? Rede grad heraus, Machiavell. Machiavell. Ich mæ¶cht' Euch nicht vorgreifen. Regentin. Und ich mæ¶chte mich verstellen! Es ist mir empfindlich, sehr empfindlich. Ich wollte lieber, mein Bruder sagte, wie er's denkt, als daæŸ er fæ¶rmliche Episteln unterschreibt, die ein Staatssekretæ¤r aufsetzt. Machiavell. Sollte man nicht einsehen? - Regentin. Und ich kenne sie inwendig und auswendig. Sie mæ¶chten's gern gesæ¤ubert und gekehrt haben; und weil sie selbst nicht zugreifen, so findet ein jeder Vertrauen, der mit dem Besen in der Hand kommt. O mir ist's, als wenn ich den Kæ¶nig und sein Konseil auf dieser Tapete gewirkt sæ¤he. Machiavell. So lebhaft? Regentin. Es fehlt kein Zug. Es sind gute Menschen drunter. Der ehrliche Rodrich, der so erfahren und mæ¤æŸig ist, nicht zu hoch will, und doch nichts fallen læ¤æŸt, der gerade Alonzo, der fleiæŸige Freneda, der feste Las Vargas, und noch einige, die mitgehen, wenn die gute Partei mæ¤chtig wird. Da sitzt aber der hohlæ¤ugige Toledaner mit der ehrnen Stirne und dem tiefen Feuerblick, murmelt zwischen den Zæ¤hnen von Weibergæ¼te, unzeitigem Nachgeben und daæŸ Frauen wohl von zugerittenen Pferden sich tragen lassen, selbst aber schlechte Stallmeister sind, und solche Spæ¤æŸe, die ich ehemals von den politischen Herren habe mit durchhæ¶ren mæ¼ssen. Machiavell. Ihr habt zu dem Gemæ¤lde einen guten Farbentopf gewæ¤hlt. Regentin. Gesteht nur, Machiavell: In meiner ganzen Schattierung, aus der ich allenfalls malen kæ¶nnte, ist kein Ton so gelbbraun-gallenschwarz wie Albas Gesichtsfarbe und als die Farbe, aus der er malt. Jeder ist bei ihm gleich ein Gotteslæ¤sterer, ein Majestæ¤tsschæ¤nder: denn aus diesem Kapitel kann man sie alle sogleich ræ¤dern, pfæ¤hlen, vierteilen und verbrennen. - Das Gute, was ich hier getan habe, sieht gewiæŸ in der Ferne wie nichts aus, eben weil's gut ist. - Da hæ¤ngt er sich an jeden Mutwillen, der vorbei ist, erinnert an jede Unruhe, die gestillt ist; und es wird dem Kæ¶nige vor den Augen so voll Meuterei, Aufruhr und Tollkæ¼hnheit, daæŸ er sich vorstellt, sie fræ¤æŸen sich hier einander auf, wenn eine flæ¼chtig voræ¼bergehende Ungezogenheit eines rohen Volks bei uns lange vergessen ist. Da faæŸt er einen recht herzlichen HaæŸ auf die armen Leute; sie kommen ihm abscheulich, ja wie Tiere und Ungeheuer vor; er sieht sich nach Feuer und Schwert um und wæ¤hnt, so bæ¤ndige man Menschen. Machiavell. Ihr scheint mir zu heftig, Ihr nehmt die Sache zu hoch. Bleibt Ihr nicht Regentin? Regentin. Das kenn ich. Er wird eine Instruktion bringen. - Ich bin in Staatsgeschæ¤ften alt genug geworden, um zu wissen, wie man einen verdræ¤ngt, ohne ihm seine Bestallung zu nehmen. - Erst wird er eine Instruktion bringen, die wird unbestimmt und schief sein; er wird um sich greifen, denn er hat die Gewalt; und wenn ich mich beklage, wird er eine geheime Instruktion vorschæ¼tzen; wenn ich sie sehen will, wird er mich herumziehen; wenn ich drauf bestehe, wird er mir ein Papier zeigen, das ganz was anders enthæ¤lt; und wenn ich mich da nicht beruhige, gar nicht mehr tun, als wenn ich redete. - Indes wird er, was ich fæ¼rchte, getan, und was ich wæ¼nsche, weit abwæ¤rts gelenkt haben. Machiavell. Ich wollt', ich kæ¶nnt' Euch widersprechen. Regentin. Was ich mit unsæ¤glicher Geduld beruhigte, wird er durch Hæ¤rte und Grausamkeiten wieder aufhetzen; ich werde vor meinen Augen mein Werk verloren sehen und æ¼berdies noch seine Schuld zu tragen haben. Machiavell. Erwarten's Eure Hoheit. Regentin. So viel Gewalt hab ich æ¼ber mich, um stille zu sein. LaæŸ ihn kommen; ich werde ihm mit der besten Art Platz machen, eh' er mich verdræ¤ngt. Machiavell. So rasch diesen wichtigen Schritt? Regentin. Schwerer, als du denkst. Wer zu herrschen gewohnt ist, wer's hergebracht hat, daæŸ jeden Tag das Schicksal von Tausenden in seiner Hand liegt, steigt vom Throne wie ins Grab. Aber besser so, als einem Gespenste gleich unter den Lebenden bleiben und mit hohlem Ansehn einen Platz behaupten wollen, den ihm ein anderer abgeerbt hat und nun besitzt und genieæŸt. Klæ¤rchens Wohnung Klæ¤rchen. Mutter. Mutter. So eine Liebe wie Brackenburgs hab ich nie gesehen; ich glaubte, sie sei nur in Heldengeschichten. Klæ¤rchen (geht in der Stube auf und ab, ein Lied zwischen den Lippen summend). Glæ¼cklich allein Ist die Seele, die liebt. Mutter. Er vermutet deinen Umgang mit Egmont; und ich glaube, wenn du ihm ein wenig freundlich tæ¤test, wenn du wolltest, er heiratete dich noch. Klæ¤rchen (singt). Freudvoll Und leidvoll, Gedankenvoll sein, Langen Und bangen In schwebender Pein, Himmelhoch jauchzend, Zum Tode betræ¼bt - Glæ¼cklich allein Ist die Seele, die liebt. Mutter. LaæŸ das Heiopopeia. Klæ¤rchen.