Scheltet mir's nicht; es ist ein kræ¤ftig Lied. Hab ich doch schon manchmal ein groæŸes Kind damit schlafen gewiegt. Mutter. Du hast doch nichts im Kopfe als deine Liebe. Vergæ¤æŸest du nur nicht alles æ¼ber das eine. Den Brackenburg solltest du in Ehren halten, sag ich dir. Er kann dich noch einmal glæ¼cklich machen. Klæ¤rchen. Er? Mutter. O ja! es kommt eine Zeit! - Ihr Kinder seht nichts voraus und æ¼berhorcht unsre Erfahrungen. Die Jugend und die schæ¶ne Liebe, alles hat sein Ende; und es kommt eine Zeit, wo man Gott dankt, wenn man irgendwo unterkriechen kann. Klæ¤rchen (schaudert, schweigt und fæ¤hrt auf). Mutter, laæŸt die Zeit kommen wie den Tod. Dran vorzudenken ist schreckhaft! - Und wenn er kommt! Wenn wir mæ¼ssen - dann - wollen wir uns gebæ¤rden, wie wir kæ¶nnen - Egmont, ich dich entbehren! - (In Træ¤nen.) Nein, es ist nicht mæ¶glich, nicht mæ¶glich. Egmont (in einem Reitermantel, den Hut ins Gesicht gedræ¼ckt). Klæ¤rchen! Klæ¤rchen (tut einen Schrei, fæ¤hrt zuræ¼ck). Egmont! (Sie eilt auf ihn zu.) Egmont! (Sie umarmt ihn und ruht an ihm.) O du Guter, Lieber, Sæ¼æŸer! Kommst du? bist du da! Egmont. Guten Abend, Mutter. Mutter. Gott græ¼æŸ' Euch, edler Herr! Meine Kleine ist fast vergangen, daæŸ Ihr so lang ausbleibt; sie hat wieder den ganzen Tag von Euch geredet und gesungen. Egmont. Ihr gebt mir doch ein Nachtessen? Mutter. Zu viel Gnade. Wenn wir nur etwas hæ¤tten. Klæ¤rchen. Freilich! Seid nur ruhig, Mutter; ich habe schon alles darauf eingerichtet, ich habe etwas zubereitet. Verratet mich nicht, Mutter. Mutter. Schmal genug. Klæ¤rchen. Wartet nur! Und dann denk ich: wenn er bei mir ist, hab ich gar keinen Hunger; da sollte er auch keinen groæŸen Appetit haben, wenn ich bei ihm bin. Egmont. Meinst du? Klæ¤rchen (stampft mit dem FuæŸe und kehrt sich unwillig um). Egmont. Wie ist dir? Klæ¤rchen. Wie seid Ihr heute so kalt! Ihr habt mir noch keinen KuæŸ angeboten. Warum habt Ihr die Arme in den Mantel gewickelt wie ein Wochenkind? Ziemt keinem Soldaten noch Liebhaber, die Arme eingewickelt zu haben. Egmont. Zuzeiten, Liebchen, zuzeiten. Wenn der Soldat auf der Lauer steht und dem Feinde etwas ablisten mæ¶chte, da nimmt er sich zusammen, faæŸt sich selbst in seine Arme und kaut seinen Anschlag reif. Und ein Liebhaber - Mutter. Wollt Ihr Euch nicht setzen? es Euch nicht bequem machen? Ich muæŸ in die Kæ¼che; Klæ¤rchen denkt an nichts, wenn Ihr da seid. Ihr mæ¼æŸt fæ¼rliebnehmen. Egmont. Euer guter Wille ist die beste Wæ¼rze. (Mutter ab.) Klæ¤rchen. Und was wæ¤re denn meine Liebe? Egmont. So viel du willst. Klæ¤rchen. Vergleicht sie, wenn Ihr das Herz habt. Egmont. Zuvæ¶rderst also. (Er wirft den Mantel ab und steht in einem præ¤chtigen Kleide da.) Klæ¤rchen. O je! Egmont. Nun hab ich die Arme frei. (Er herzt sie.) Klæ¤rchen. LaæŸt! Ihr verderbt Euch. (Sie tritt zuræ¼ck.) Wie præ¤chtig! Da darf ich Euch nicht anræ¼hren. Egmont. Bist du zufrieden? Ich versprach dir, einmal spanisch zu kommen. Klæ¤rchen. Ich bat Euch zeither nicht mehr drum; ich dachte, Ihr wolltet nicht - Ach und das Goldne Vlies! Egmont. Da siehst du's nun. Klæ¤rchen. Das hat dir der Kaiser umgehæ¤ngt? Egmont. Ja, Kind! und Kette und Zeichen geben dem, der sie træ¤gt, die edelsten Freiheiten. Ich erkenne auf Erden keinen Richter æ¼ber meine Handlungen als den GroæŸmeister des Ordens, mit dem versammelten Kapitel der Ritter. Klæ¤rchen. O du dæ¼rftest die ganze Welt æ¼ber dich richten lassen. - Der Sammet ist gar zu herrlich, und die Passementarbeit! und das Gestickte! - Man weiæŸ nicht, wo man anfangen soll. Egmont. Sieh dich nur satt. Klæ¤rchen. Und das Goldne Vlies! Ihr erzæ¤hltet mir die Geschichte und sagtet, es sei ein Zeichen alles GroæŸen und Kostbaren, was man mit Mæ¼h und FleiæŸ verdient und erwirbt. Es ist sehr kostbar - ich kann's deiner Liebe vergleichen. - Ich trage sie ebenso am Herzen - und hernach - Egmont. Was willst du sagen? Klæ¤rchen. Hernach vergleicht sich's auch wieder nicht. Egmont. Wieso? Klæ¤rchen. Ich habe sie nicht mit Mæ¼h und FleiæŸ erworben, nicht verdient. Egmont. In der Liebe ist es anders. Du verdienst sie, weil du dich nicht darum bewirbst - und die Leute erhalten sie auch meist allein, die nicht darnach jagen. Klæ¤rchen. Hast du das von dir abgenommen? Hast du diese stolze Anmerkung æ¼ber dich selbst gemacht? du, den alles Volk liebt? Egmont. Hæ¤tt' ich nur etwas fæ¼r sie getan! kæ¶nnt' ich etwas fæ¼r sie tun! Es ist ihr guter Wille, mich zu lieben. Klæ¤rchen. Du warst gewiæŸ heute bei der Regentin? Egmont. Ich war bei ihr. Klæ¤rchen. Bist du gut mit ihr? Egmont. Es sieht einmal so aus. Wir sind einander freundlich und dienstlich. Klæ¤rchen. Und im Herzen? Egmont. Will ich ihr wohl. Jedes hat seine eignen Absichten. Das tut nichts zur Sache. Sie ist eine treffliche Frau, kennt ihre Leute, und sæ¤he tief genug, wenn sie auch nicht argwæ¶hnisch wæ¤re. Ich mache ihr viel zu schaffen, weil sie hinter meinem Betragen immer Geheimnisse sucht, und ich keine habe. Klæ¤rchen. So gar keine? Egmont. Eh nun! einen kleinen Hinterhalt. Jeder Wein setzt Weinstein in den Fæ¤ssern an mit der Zeit. Oranien ist doch noch eine bessere Unterhaltung fæ¼r sie und eine immer neue Aufgabe. Er hat sich in den Kredit gesetzt, daæŸ er immer etwas Geheimes vorhabe: und nun sieht sie immer nach seiner Stirne, was er wohl denken, auf seine Schritte, wohin er sie wohl richten mæ¶chte. Klæ¤rchen. Verstellt sie sich? Egmont. Regentin, und du fragst? Klæ¤rchen. Verzeiht, ich wollte fragen: ist sie falsch? Egmont. Nicht mehr und nicht weniger als jeder, der seine Absichten erreichen will. Klæ¤rchen. Ich kæ¶nnte mich in die Welt nicht finden. Sie hat aber auch einen mæ¤nnlichen Geist, sie ist ein ander Weib als wir Næ¤hterinnen und Kæ¶chinnen. Sie ist groæŸ, herzhaft, entschlossen. Egmont. Ja, wenn's nicht gar zu bunt geht. Diesmal ist sie doch ein wenig aus der Fassung. Klæ¤rchen. Wieso? Egmont. Sie hat auch ein Bæ¤rtchen auf der Oberlippe, und manchmal einen Anfall von Podagra. Eine rechte Amazone! Klæ¤rchen. Eine majestæ¤tische Frau! Ich scheute mich, vor sie zu treten. Egmont. Du bist doch sonst nicht zaghaft - Es wæ¤re auch nicht Furcht, nur jungfræ¤uliche Scham. Klæ¤rchen (schlæ¤gt die Augen nieder, nimmt seine Hand und lehnt sich an ihn). Egmont. Ich verstehe dich! liebes Mæ¤dchen! du darfst die Augen aufschlagen. (Er kæ¼æŸt ihre Augen.) Klæ¤rchen. LaæŸ mich schweigen! LaæŸ mich dich halten. LaæŸ mich dir in die Augen sehen; alles drin finden, Trost und Hoffnung und Freude und Kummer. (Sie umarmt ihn und sieht ihn an.) Sag mir! Sage! ich begreife nicht! bist du Egmont? der Graf Egmont? der groæŸe Egmont, der so viel Aufsehn macht, von dem in den Zeitungen steht, an dem die Provinzen hæ¤ngen? Egmont. Nein, Klæ¤rchen, das bin ich nicht. Klæ¤rchen. Wie? Egmont. Siehst du, Klæ¤rchen! - LaæŸ mich sitzen! (Er setzt sich, sie kniet vor ihn auf einen Schemel, legt ihr Arme auf seinen SchoæŸ und sieht ihn an.) Jener Egmont ist ein verdrieæŸlicher, steifer, kalter Egmont, der an sich halten, bald dieses bald jenes Gesicht machen muæŸ; geplagt, verkannt, verwickelt ist, wenn ihn die Leute fæ¼r froh und fræ¶hlich halten; geliebt von einem Volke, das nicht weiæŸ, was es will; geehrt und in die Hæ¶he getragen von einer Menge, mit der nichts anzufangen ist; umgeben von Freunden, denen er sich nicht æ¼berlassen darf; beobachtet von Menschen, die ihm auf alle Weise beikommen mæ¶chten; arbeitend und sich bemæ¼hend, oft ohne Zweck meist ohne Lohn - O laæŸ mich schweigen, wie es dem ergeht, wie es dem zumute ist. Aber dieser, Klæ¤rchen, der ist ruhig, offen, glæ¼cklich, geliebt und gekannt von dem besten Herzen, das auch er ganz kennt und mit voller Liebe und Zutrauen an das seine dræ¼ckt. (Er umarmt sie.) Das ist dein Egmont! Klæ¤rchen. So laæŸ mich sterben! Die Welt hat keine Freuden auf diese! Vierter Aufzug StraæŸe Jetter. Zimmermeister. Jetter. He! Pst! He, Nachbar, ein Wort! Zimmermeister. Geh deines Pfads und sei ruhig. Jetter. Nur ein Wort. Nichts Neues? Zimmermeister. Nichts, als daæŸ uns von Neuem zu reden verboten ist. Jetter. Wie? Zimmermeister. Tretet hier ans Haus an. Hæ¼tet Euch! Der Herzog von Alba hat gleich bei seiner Ankunft einen Befehl ausgehen lassen, dadurch zwei oder drei, die auf der StraæŸe zusammen sprechen, des Hochverrats ohne Untersuchung schuldig erklæ¤rt sind. Jetter. O weh! Zimmermeister. Bei ewiger Gefangenschaft ist verboten, von Staatssachen zu reden. Jetter. O unsre Freiheit! Zimmermeister. Und bei Todesstrafe soll niemand die Handlungen der Regierung miæŸbilligen. Jetter. O unsre Kæ¶pfe! Zimmermeister. Und mit groæŸem Versprechen werden Væ¤ter, Mæ¼tter, Kinder, Verwandte, Freunde, Dienstboten eingeladen, was in dem Innersten des Hauses vorgeht, bei dem besonders niedergesetzten Gerichte zu offenbaren. Jetter. Gehn wir nach Hause. Zimmermeister. Und den Folgsamen ist versprochen, daæŸ sie weder an Leibe, noch Ehre, noch Vermæ¶gen einige Kræ¤nkung erdulden sollen. Jetter. Wie gnæ¤dig! War mir's doch gleich weh, wie der Herzog in die Stadt kam. Seit der Zeit ist mir's, als wæ¤re der Himmel mit einem schwarzen Flor æ¼berzogen und hinge so tief herunter, daæŸ man sich bæ¼cken mæ¼sse, um nicht dran zu stoæŸen. Zimmermeister. Und wie haben dir seine Soldaten gefallen? Gelt! das ist eine andre Art von Krebsen, als wir sie sonst gewohnt waren. Jetter. Pfui! Es schnæ¼rt einem das Herz ein, wenn man so einen Haufen die Gassen hinab marschieren sieht. Kerzengerad mit unverwandtem Blick, ein Tritt, soviel ihrer sind. Und wenn sie auf der Schildwache stehen und du gehst an einem vorbei, ist's, als wenn er dich durch und durch sehen wollte, und sieht so steif und mæ¼rrisch aus, daæŸ du auf allen Ecken einen Zuchtmeister zu sehen glaubst. Sie tun mir gar nicht wohl. Unsre Miliz war doch noch ein lustig Volk; sie nahmen sich was heraus, standen mit ausgegræ¤tschten Beinen da, hatten den Hut æ¼berm Ohr, lebten und lieæŸen leben; diese Kerle aber sind wie Maschinen, in denen ein Teufel sitzt. Zimmermeister. Wenn so einer ruft. Ñ»Halt!Ñ« und anschlæ¤gt, meinst du, man hielte? Jetter. Ich wæ¤re gleich des Todes. Zimmermeister. Gehn wir nach Hause. Jetter. Es wird nicht gut. Adieu. (Soest tritt dazu.) Soest. Freunde! Genossen! Zimmermeister. Still! LaæŸt uns gehen. Soest. WiæŸt ihr? Jetter. Nur zu viel! Soest. Die Regentin ist weg. Jetter. Nun gnad' uns Gott! Zimmermeister. Die hielt uns noch. Soest. Auf einmal und in der Stille. Sie konnte sich mit dem Herzog nicht vertragen; sie lieæŸ dem Adel melden, sie komme wieder. Niemand glaubt's. Zimmermeister. Gott verzeih's dem Adel, daæŸ er uns diese neue GeiæŸel æ¼ber den Hals gelassen hat. Sie hæ¤tten es abwenden kæ¶nnen. Unsre Privilegien sind hin. Jetter. Um Gottes willen nichts von Privilegien! Ich wittre den Geruch von einem Exekutionsmorgen; die Sonne will nicht hervor, die Nebel stinken. Soest. Oranien ist auch weg. Zimmermeister. So sind wir denn ganz verlassen! Soest. Graf Egmont ist noch da. Jetter. Gott sei Dank! Stæ¤rken ihn alle Heiligen, daæŸ er sein Bestes tut; der ist allein was vermæ¶gend. (Vansen tritt auf.) Vansen. Find ich endlich ein paar, die noch nicht untergekrochen sind? Jetter. Tut uns den Gefallen und geht fæ¼rbaæŸ. Vansen. Ihr seid nicht hæ¶flich. Zimmermeister. Es ist gar keine Zeit zu Komplimenten. Juckt Euch der Buckel wieder? Seid Ihr schon durchgeheilt? Vansen. Fragt einen Soldaten nach seinen Wunden! Wenn ich auf Schlæ¤ge was gegeben hæ¤tte, wæ¤re sein Tage nichts aus mir geworden. Jetter. Es kann ernstlicher werden. Vansen. Ihr spæ¼rt von dem Gewitter, das aufsteigt, eine erbæ¤rmliche Mattigkeit in den Gliedern, scheint's. Zimmermeister. Deine Glieder werden sich bald woanders eine Motion machen, wenn du nicht ruhst. Vansen. Armselige Mæ¤use, die gleich verzweifeln, wenn der Hausherr eine neue Katze anschafft! Nur ein biæŸchen anders; aber wir treiben unser Wesen vor wie nach, seid nur ruhig. Zimmermeister. Du bist ein verwegener Taugenichts. Vansen. Gevatter Tropf! LaæŸ du den Herzog nur gewæ¤hren. Der alte Kater sieht aus, als wenn er Teufel statt Mæ¤use gefressen hæ¤tte und kæ¶nnte sie nun nicht verdauen. LaæŸt ihn nur erst; er muæŸ auch essen, trinken, schlafen wie andere Menschen. Es ist mir nicht bange, wenn wir unsere Zeit recht nehmen. Im Anfange geht's rasch; nachher wird er auch finden, daæŸ in der Speisekammer unter den Speckseiten besser leben ist und des Nachts zu ruhen, als auf dem Fruchtboden einzelne Mæ¤uschen zu erlisten. Geht nur, ich kenne die Statthalter. Zimmermeister. Was so einem Menschen alles durchgeht! Wenn ich in meinem Leben so etwas gesagt hæ¤tte, hielt' ich mich keine Minute fæ¼r sicher. Vansen. Seid nur ruhig! Gott im Himmel erfæ¤hrt nichts von euch Wæ¼rmern, geschweige der Regent. Jetter. Læ¤stermaul! Vansen. Ich weiæŸ andere, denen es besser wæ¤re, sie hæ¤tten statt ihres Heldenmuts eine Schneiderader im Leibe. Zimmermeister. Was wollt Ihr damit sagen? Vansen. Hm! den Grafen mein ich. Jetter. Egmont! Was soll der fæ¼rchten? Vansen. Ich bin ein armer Teufel und kæ¶nnte ein ganzes Jahr leben von dem, was er in einem Abende verliert. Und doch kæ¶nnt' er mir sein Einkommen eines ganzen Jahres geben, wenn er meinen Kopf auf eine Viertelstunde hæ¤tte. Jetter. Du denkst dich was Rechts. Egmonts Haare sind gescheiter als dein Hirn. Vansen. Redt Ihr! Aber nicht feiner. Die Herren betriegen sich am ersten. Er sollte nicht trauen. Jetter. Was er schwæ¤tzt! So ein Herr! Vansen. Eben weil er kein Schneider ist. Jetter. Ungewaschen Maul! Vansen. Dem wollt' ich Eure Courage nur eine Stunde in die Glieder wæ¼nschen, daæŸ sie ihm da Unruh machte und ihn so lange neckte und juckte, bis er aus der Stadt mæ¼æŸte. Jetter. Ihr redet recht unverstæ¤ndig; er ist so sicher wie der Stern am Himmel. Vansen. Hast du nie einen sich schneuzen gesehn? Weg war er! Zimmermeister. Wer will ihm denn was tun? Vansen. Wer will? Willst du's etwa hindern? Willst du einen Aufruhr erregen, wenn sie ihn gefangennehmen? Jetter. Ah! Vansen. Wollt ihr eure Rippen fæ¼r ihn wagen? Soest. Eh! Vansen (sie nachæ¤ffend). Ih! Oh! Uh! Verwundert euch durchs ganze Alphabet. So ist's und bleibt's! Gott bewahre ihn! Jetter. Ich erschrecke æ¼ber Eure Unverschæ¤mtheit. So ein edler, rechtschaffener Mann sollte was zu befæ¼rchten haben? Vansen. Der Schelm sitzt æ¼berall im Vorteil. Auf dem Armensæ¼nderstæ¼hlchen hat er den Richter zum Narren; auf dem Richterstuhl macht er den Inquisiten mit Lust zum Verbrecher. Ich habe so ein Protokoll abzuschreiben gehabt, wo der Kommissarius schwer Lob und Geld vom Hofe erhielt, weil er einen ehrlichen Teufel, an den man wollte, zum Schelmen verhæ¶rt hatte. Zimmermeister. Das ist wieder frisch gelogen. Was wollen sie denn heraus verhæ¶ren, wenn einer unschuldig ist? Vansen. O Spatzenkopf! Wo nichts herauszuverhæ¶ren ist, da verhæ¶rt man hinein. Ehrlichkeit macht unbesonnen, auch wohl trotzig. Da fragt man erst recht sachte weg, und der Gefangne ist stolz auf seine Unschuld, wie sie's heiæŸen, und sagt alles geradezu, was ein Verstæ¤ndiger verbæ¤rge. Dann macht der Inquisitor aus den Antworten wieder Fragen und paæŸt ja auf, wo irgendein Widerspræ¼chelchen erscheinen will; da knæ¼pft er seinen Strick an, und læ¤æŸt sich der dumme Teufel betreten, daæŸ er hier etwas zu viel, dort etwas zu wenig gesagt oder wohl gar aus Gott weiæŸ was fæ¼r einer Grille einen Umstand verschwiegen hat, auch wohl irgend an einem Ende sich hat schrecken lassen: dann sind wir auf dem rechten Weg! Und ich versichre euch, mit mehr Sorgfalt suchen die Bettelweiber nicht die Lumpen aus dem Kehricht, als so ein Schelmenfabrikant aus kleinen, schiefen, verschobenen, verræ¼ckten, verdræ¼ckten, geschlossenen, bekannten, geleugneten Anzeigen und Umstæ¤nden sich endlich einen strohlumpenen Vogelscheu zusammenkæ¼nstelt, um wenigstens seinen Inquisiten in effigie hæ¤ngen zu kæ¶nnen. Und Gott mag der arme Teufel danken, wenn er sich noch kann hæ¤ngen sehen. Jetter. Der hat eine gelæ¤ufige Zunge. Zimmermeister. Mit Fliegen mag das angehen. Die Wespen lachen Eures Gespinstes. Vansen. Nachdem die Spinnen sind. Seht, der lange Herzog hat euch so ein rein Ansehn von einer Kreuzspinne, nicht einer dickbæ¤uchigen, die sind weniger schlimm, aber so einer langfæ¼æŸigen, schmalleibigen, die vom FraæŸe nicht feist wird und recht dæ¼nne Fæ¤den zieht, aber desto zæ¤here. Jetter. Egmont ist Ritter des Goldnen Vlieses; wer darf Hand an ihn legen? Nur von seinesgleichen kann er gerichtet werden, nur vom gesamten Orden. Dein loses Maul, dein bæ¶ses Gewissen verfæ¼hren dich zu solchem Geschwæ¤tz. Vansen. Will ich ihm darum æ¼bel? Mir kann's recht sein. Es ist ein trefflicher Herr. Ein paar meiner guten Freunde, die anderwæ¤rts schon wæ¤ren gehangen worden, hat er mit einem Buckel voll Schlæ¤ge verabschiedet. Nun geht! Geht! Ich rat es euch selbst. Dort seh ich wieder eine Runde antreten; die sehen nicht aus, als wenn sie so bald Bræ¼derschaft mit uns trinken wæ¼rden. Wir wollen's abwarten und nur sachte zusehen. Ich hab ein paar Nichten und einen Gevatter Schenkwirt; wenn sie von denen gekostet haben und werden dann nicht zahm, so sind sie ausgepichte Wæ¶lfe. Der Culenburgische Palast Wohnung des Herzogs von Alba Silva und Gomez begegnen einander. Silva. Hast du die Befehle des Herzogs ausgerichtet? Gomez. Pæ¼nktlich. Alle tæ¤gliche Runden sind beordert, zur bestimmten Zeit an verschiedenen Plæ¤tzen einzutreffen, die ich ihnen bezeichnet habe; sie gehen indes, wie gewæ¶hnlich, durch die Stadt, um Ordnung zu erhalten. Keiner weiæŸ von dem andern; jeder glaubt, der Befehl gehe ihn allein an, und in einem Augenblick kann alsdann der Kordon gezogen und alle Zugæ¤nge zum Palast kæ¶nnen besetzt sein. WeiæŸt du die Ursache dieses Befehls? Silva. Ich bin gewohnt, blindlings zu gehorchen. Und wem gehorcht sich's leichter als dem Herzoge, da bald der Ausgang beweist, daæŸ er recht befohlen hat? Gomez. Gut! Gut! Auch scheint es mir kein Wunder, daæŸ du so verschlossen und einsilbig wirst wie er, da du immer um ihn sein muæŸt. Mir kommt es fremd vor, da ich den leichteren italienischen Dienst gewohnt bin. An Treue und Gehorsam bin ich der alte; aber ich habe mir das Schwæ¤tzen und Ræ¤sonieren angewæ¶hnt. Ihr schweigt alle und laæŸt es euch nie wohl sein. Der Herzog gleicht mir einem ehrnen Turm ohne Pforte, wozu die Besatzung Flæ¼gel hæ¤tte. Neulich hæ¶rt' ich ihn bei Tafel von einem frohen freundlichen Menschen sagen: er sei wie eine schlechte Schenke mit einem ausgesteckten Branntweinzeichen, um Mæ¼æŸiggæ¤nger, Bettler und Diebe hereinzulocken. Silva. Und hat er uns nicht schweigend hierhergefæ¼hrt? Gomez. Dagegen ist nichts zu sagen. GewiæŸ! Wer Zeuge seiner Klugheit war, wie er die Armee aus Italien hierher brachte, der hat etwas gesehen. Wie er sich durch Freund und Feind, durch die Franzosen, Kæ¶niglichen und Ketzer, durch die Schweizer und Verbundnen gleichsam durchschmiegte, die strengste Mannszucht hielt und einen Zug, den man so gefæ¤hrlich achtete, leicht und ohne AnstoæŸ zu leiten wuæŸte! - Wir haben was gesehen, was lernen kæ¶nnen. Silva. Auch hier! Ist nicht alles still und ruhig, als wenn kein Aufstand gewesen wæ¤re? Gomez. Nun, es war auch schon meist still, als wir her kamen. Silva. In den Provinzen ist es viel ruhiger geworden; und wenn sich noch einer bewegt, so ist es, um zu entfliehen. Aber auch diesen wird er die Wege bald versperren, denk ich. Gomez. Nun wird er erst die Gunst des Kæ¶nigs gewinnen. Silva. Und uns bleibt nichts angelegener, als uns die seinige zu erhalten. Wenn der Kæ¶nig hieherkommt, bleibt gewiæŸ der Herzog und jeder, den er empfiehlt, nicht unbelohnt. Gomez. Glaubst du, daæŸ der Kæ¶nig kommt? Silva. Es werden so viele Anstalten gemacht, daæŸ es hæ¶chst wahrscheinlich ist. Gomez. Mich æ¼berreden sie nicht. Silva. So rede wenigstens nicht davon. Denn wenn des Kæ¶nigs Absicht ja nicht sein sollte zu kommen, so ist sie's doch wenigstens gewiæŸ, daæŸ man es glauben soll. (Ferdinand, Albas natæ¼rlicher Sohn.) Ferdinand. Ist mein Vater noch nicht heraus? Silva. Wir warten auf ihn. Ferdinand. Die Fæ¼rsten werden bald hier sein. Gomez. Kommen sie heute? Ferdinand. Oranien und Egmont. Gomez (leise zu Silva). Ich begreife etwas. Silva. So behalt es fæ¼r dich. (Herzog von Alba. - Wie er herein- und hervortritt, treten die andern zuræ¼ck.) Alba. Gomez. Gomez (tritt vor). Herr! Alba. Du hast die Wachen verteilt und beordert? Gomez. Aufs genaueste. Die tæ¤glichen Runden - Alba. Genug. Du wartest in der Galerie. Silva wird dir den Augenblick sagen, wenn du sie zusammenziehen, die Zugæ¤nge nach dem Palast besetzen sollst. Das æ¼brige weiæŸt du. Gomez. Ja, Herr! (Ab.) Alba. Silva! Silva. Hier bin ich. Alba. Alles, was ich von jeher an dir geschæ¤tzt habe, Mut, Entschlossenheit, unaufhaltsames Ausfæ¼hren, das zeige heut. Silva. Ich danke Euch, daæŸ Ihr mir Gelegenheit gebt zu zeigen, daæŸ ich der alte bin. Alba. Sobald die Fæ¼rsten bei mir eingetreten sind, dann eile gleich, Egmonts Geheimschreiber gefangenzunehmen. Du hast alle Anstalten gemacht, die æ¼brigen, welche bezeichnet sind, zu fahen? Silva. Vertraue auf uns. Ihr Schicksal wird sie, wie eine wohlberechnete Sonnenfinsternis, pæ¼nktlich und schrecklich treffen. Alba. Hast du sie genau beobachten lassen? Silva. Alle; den Egmont vor andern. Er ist der einzige, der, seit du hier bist, sein Betragen nicht geæ¤ndert hat. Den ganzen Tag von einem Pferd aufs andere, ladet Gæ¤ste, ist immer lustig und unterhaltend bei Tafel, wæ¼rfelt, schieæŸt und schleicht nachts zum Liebchen. Die andern haben dagegen eine merkliche Pause in ihrer Lebensart gemacht; sie bleiben bei sich; vor ihrer Tæ¼re sieht's aus, als wenn ein Kranker im Hause wæ¤re. Alba. Drum rasch! eh sie uns wider Willen genesen. Silva. Ich stelle sie. Auf deinen Befehl æ¼berhæ¤ufen wir sie mit dienstfertigen Ehren. Ihnen graut's; politisch geben sie uns einen æ¤ngstlichen Dank, fæ¼hlen, das Ræ¤tlichste sei, zu entfliehen, keiner wagt einen Schritt, sie zaudern, kæ¶nnen sich nicht vereinigen; und einzeln etwas Kæ¼hnes zu tun, hæ¤lt sie der Gemeingeist ab. Sie mæ¶chten gern sich jedem Verdacht entziehen und machen sich immer verdæ¤chtiger. Schon seh ich mit Freuden deinen ganzen Anschlag ausgefæ¼hrt. Alba. Ich freue mich nur æ¼ber das Geschehene; und auch æ¼ber das nicht leicht; denn es bleibt stets noch æ¼brig, was uns zu denken und zu sorgen gibt. Das Glæ¼ck ist eigensinnig, oft das Gemeine, das Nichtswæ¼rdige zu adeln und wohlæ¼berlegte Taten mit einem gemeinen Ausgang zu entehren. Verweile, bis die Fæ¼rsten kommen; dann gib Gomez die Ordre, die StraæŸen zu besetzen, und eile selbst, Egmonts Schreiber und die æ¼brigen gefangenzunehmen, die dir bezeichnet sind. Ist es getan, so komm hierher und meld es meinem Sohne, daæŸ er mir in den Rat die Nachricht bringe. Silva. Ich hoffe, diesen Abend vor dir stehn zu dæ¼rfen. (Alba geht nach seinem Sohne, der bisher in der Galerie gestanden.) Silva. Ich traue mir es nicht zu sagen; aber meine Hoffnung schwankt. Ich fæ¼rchte, es wird nicht werden, wie er denkt. Ich sehe Geister vor mir, die still und sinnend auf schwarzen Schalen das Geschick der Fæ¼rsten und vieler Tausende wæ¤gen. Langsam wankt das Zæ¼nglein auf und ab; tief scheinen die Richter zu sinnen; zuletzt sinkt diese Schale, steigt jene, angehaucht vom Eigensinn des Schicksals, und entschieden ist's. (Ab.) (Alba mit Ferdinand hervortretend.) Alba. Wie fandst du die Stadt? Ferdinand. Es hat sich alles gegeben. Ich ritt, als wie zum Zeitvertreib, straæŸauf, straæŸab. Eure wohlverteilten Wachen halten die Furcht so angespannt, daæŸ sie sich nicht zu lispeln untersteht. Die Stadt sieht einem Felde æ¤hnlich, wenn das Gewitter von weitem leuchtet; man erblickt keinen Vogel, kein Tier, als das eilend nach einem Schutzorte schlæ¼pft. Alba. Ist dir nichts weiter begegnet? Ferdinand. Egmont kam mit einigen auf den Markt geritten; wir græ¼æŸten uns; er hatte ein rohes Pferd, das ich ihm loben muæŸte. Ñ»LaæŸt uns eilen, Pferde zuzureiten, wir werden sie bald brauchen!Ñ« rief er mir entgegen. Er werde mich noch heute wiedersehn, sagte er, und komme, auf Euer Verlangen, mit Euch zu ratschlagen. Alba. Er wird dich wiedersehn. Ferdinand. Unter allen Rittern, die ich hier kenne, gefæ¤llt er mir am besten. Es scheint, wir werden Freunde sein. Alba. Du bist noch immer zu schnell und wenig behutsam; immer erkenn ich in dir den Leichtsinn deiner Mutter, der mir sie unbedingt in die Arme lieferte. Zu mancher gefæ¤hrlichen Verbindung lud dich der Anschein voreilig ein. Ferdinand. Euer Wille findet mich bildsam. Alba. Ich vergebe deinem jungen Blute dies leichtsinnige Wohlwollen, diese unachtsame Fræ¶hlichkeit. Nur vergiæŸ nicht, zu welchem Werke ich gesandt bin, und welchen Teil ich dir dran geben mæ¶chte. Ferdinand. Erinnert mich, und schont mich nicht, wo Ihr es næ¶tig haltet. Alba (nach einer Pause). Mein Sohn! Ferdinand. Mein Vater! Alba. Die Fæ¼rsten kommen bald, Oranien und Egmont kommen. Es ist nicht MiæŸtrauen, daæŸ ich dir erst jetzt entdecke, was geschehen soll. Sie werden nicht wieder von hinnen gehn. Ferdinand. Was sinnst du? Alba. Es ist beschlossen, sie festzuhalten. - Du erstaunst! Was du zu tun hast, hæ¶re; die Ursachen sollst du wissen, wenn es geschehn ist. Jetzt bleibt keine Zeit, sie auszulegen. Mit dir allein wæ¼nscht' ich das Græ¶æŸte, das Geheimste zu besprechen; ein starkes Band hæ¤lt uns zusammengefesselt; du bist mir wert und lieb; auf dich mæ¶cht' ich alles hæ¤ufen. Nicht die Gewohnheit zu gehorchen allein mæ¶cht' ich dir einpræ¤gen; auch den Sinn, auszudenken, zu befehlen, auszufæ¼hren, wæ¼nscht' ich in dir fortzupflanzen; dir ein groæŸes Erbteil, dem Kæ¶nige den brauchbarsten Diener zu hinterlassen; dich mit dem Besten, was ich habe, auszustatten, daæŸ du dich nicht schæ¤men dæ¼rfest, unter deine Bræ¼der zu treten. Ferdinand. Was werd ich dir nicht fæ¼r diese Liebe schuldig, die du mir allein zuwendest, indem ein ganzes Reich vor dir zittert! Alba. Nun hæ¶re, was zu tun ist. Sobald die Fæ¼rsten eingetreten sind, wird jeder Zugang zum Palaste besetzt. Dazu hat Gomez die Ordre. Silva wird eilen, Egmonts Schreiber mit den Verdæ¤chtigsten gefangenzunehmen. Du hæ¤ltst die Wache am Tore und in den Hæ¶fen in Ordnung. Vor allen Dingen besetze diese Zimmer hier neben mit den sichersten Leuten; dann warte auf der Galerie, bis Silva wiederkommt, und bringe mir irgendein unbedeutend Blatt herein, zum Zeichen, daæŸ sein Auftrag ausgerichtet ist. Dann bleib im Vorsaale, bis Oranien weggeht; folg ihm; ich halte Egmont hier, als ob ich ihm noch was zu sagen hæ¤tte. Am Ende der Galerie fordre Oraniens Degen, rufe die Wache an, verwahre schnell den gefæ¤hrlichsten Mann; und ich fasse Egmont hier. Ferdinand. Ich gehorche, mein Vater. Zum erstenmal mit schwerem Herzen und mit Sorge. Alba. Ich verzeihe dir's; es ist der erste groæŸe Tag, den du erlebst. (Silva tritt herein.) Silva. Ein Bote von Antwerpen. Hier ist Oraniens Brief! Er kommt nicht. Alba. Sagt' es der Bote? Silva. Nein, mir sagt's das Herz. Alba. Aus dir spricht mein bæ¶ser Genius. (Nachdem er den Brief gelesen, winkt er beiden, und sie ziehen sich in die Galerie zuræ¼ck. Er bleibt allein auf dem Vorderteile.) Er kommt nicht! Bis auf den letzten Augenblick verschiebt er, sich zu erklæ¤ren. Er wagt es, nicht zu kommen! So war denn diesmal wider Vermuten der Kluge klug genug, nicht klug zu sein! - Es ræ¼ckt die Uhr! Noch einen kleinen Weg des Seigers, und ein groæŸes Werk ist getan oder versæ¤umt, unwiederbringlich versæ¤umt; denn es ist weder nachzuholen, noch zu verheimlichen. Læ¤ngst hatt' ich alles reiflich abgewogen, und mir auch diesen Fall gedacht, mir festgesetzt, was auch in diesem Falle zu tun sei; und jetzt, da es zu tun ist, wehr ich mir kaum, daæŸ nicht das Fæ¼r und Wider mir aufs neue durch die Seele schwankt. - Ist's ræ¤tlich, die andern zu fangen, wenn er mir entgeht? Schieb ich es auf und laæŸ Egmont mit den Seinigen, mit so vielen entschlæ¼pfen, die nun, vielleicht nur heute noch, in meinen Hæ¤nden sind? So zwingt dich das Geschick denn auch, du Unbezwinglicher? Wie lang gedacht! Wie wohl bereitet! Wie groæŸ, wie schæ¶n der Plan! Wie nah die Hoffnung ihrem Ziele! und nun im Augenblick des Entscheidens bist du zwischen zwei æœbel gestellt; wie in einen Lostopf greifst du in die dunkle Zukunft; was du fassest, ist noch zugerollt, dir unbewuæŸt, sei's Treffer oder Fehler! (Er wird aufmerksam, wie einer, der etwas hæ¶rt, und tritt ans Fenster.) Er ist es! Egmont! - Trug dich dein Pferd so leicht herein und scheute vor dem Blutgeruche nicht und vor dem Geiste mit dem blanken Schwert, der an der Pforte dich empfæ¤ngt? - Steig ab! - So bist du mit dem einen FuæŸ im Grab! und so mit beiden! - ja streichl' es nur und klopfe fæ¼r seinen mutigen Dienst zum letztenmale den Nacken ihm - Und mir bleibt keine Wahl. In der Verblendung, wie hier Egmont naht, kann er dir nicht zum zweitenmal sich liefern! - Hæ¶rt! (Ferdinand und Silva treten eilig herbei.) Alba. Ihr tut, was ich befahl; ich æ¤ndre meinen Willen nicht. Ich halte, wie es gehn will, Egmont auf, bis du mir von Silva die Nachricht gebracht hast. Dann bleib in der Næ¤he. Auch dir raubt das Geschick das groæŸe Verdienst, des Kæ¶nigs græ¶æŸten Feind mit eigener Hand gefangen zu haben. (Zu Silva.) Eile! (Zu Ferdinand.) Geh ihm entgegen. (Alba bleibt einige Augenblicke allein und geht schweigend auf und ab.) (Egmont tritt auf.) Egmont. Ich komme, die Befehle des Kæ¶nigs zu vernehmen, zu hæ¶ren, welchen Dienst er von unserer Treue verlangt, die ihm ewig ergeben bleibt. Alba. Er wæ¼nscht vor allen Dingen Euern Rat zu hæ¶ren. Egmont. æœber welchen Gegenstand? Kommt Oranien auch? Ich vermutete ihn hier. Alba. Mir tut es leid, daæŸ er uns eben in dieser wichtigen Stunde fehlt. Euern Rat, Eure Meinung wæ¼nscht der Kæ¶nig, wie diese Staaten wieder zu befriedigen. Ja, er hofft, Ihr werdet kræ¤ftig mitwirken, diese Unruhen zu stillen und die Ordnung der Provinzen væ¶llig und dauerhaft zu græ¼nden. Egmont. Ihr kæ¶nnt besser wissen als ich, daæŸ schon alles genug beruhigt ist, ja, noch mehr beruhigt war, eh die Erscheinung der neuen Soldaten wieder mit Furcht und Sorge die Gemæ¼ter bewegte. Alba. Ihr scheint andeuten zu wollen, das Ræ¤tlichste sei gewesen, wenn der Kæ¶nig mich gar nicht in den Fall gesetzt hæ¤tte, Euch zu fragen. Egmont. Verzeiht! Ob der Kæ¶nig das Heer hæ¤tte schicken sollen, ob nicht vielmehr die Macht seiner majestæ¤tischen Gegenwart allein stæ¤rker gewirkt hæ¤tte, ist meine Sache nicht zu beurteilen. Das Heer ist da, er nicht. Wir aber mæ¼æŸten sehr undankbar, sehr vergessen sein, wenn wir uns nicht erinnerten, was wir der Regentin schuldig sind. Bekennen wir! Sie brachte durch ihr so kluges als tapferes Betragen die Aufræ¼hrer mit Gewalt und Ansehn, mit æœberredung und List zur Ruhe und fæ¼hrte zum Erstaunen der Welt ein rebellisches Volk in wenigen Monaten zu seiner Pflicht zuræ¼ck. Alba. Ich leugne es nicht. Der Tumult ist gestillt, und jeder scheint in die Grenzen des Gehorsams zuræ¼ckgebannt. Aber hæ¤ngt es nicht von eines jeden Willkæ¼r ab, sie zu verlassen? Wer will das Volk hindern loszubrechen? Wo ist die Macht, sie abzuhalten? Wer bæ¼rgt uns, daæŸ sie sich ferner treu und untertæ¤nig zeigen werden? Ihr guter Wille ist alles Pfand, das wir haben. Egmont. Und ist der gute Wille eines Volks nicht das sicherste, das edelste Pfand? Bei Gott! Wann darf sich ein Kæ¶nig sicherer halten, als wenn sie alle fæ¼r einen, einer fæ¼r alle stehn? Sicherer gegen innere und æ¤uæŸere Feinde? Alba. Wir werden uns doch nicht æ¼berreden sollen, daæŸ es jetzt hier so steht? Egmont. Der Kæ¶nig schreibe einen Generalpardon aus, er beruhige die Gemæ¼ter; und bald wird man sehen, wie Treue und Liebe mit dem Zutrauen wieder zuræ¼ckkehrt. Alba. Und jeder, der die Majestæ¤t des Kæ¶nigs, der das Heiligtum der Religion geschæ¤ndet, ginge frei und ledig hin und wider! lebte den andern zum bereiten Beispiel, daæŸ ungeheure Verbrechen straflos sind? Egmont. Und ist ein Verbrechen des Unsinns, der Trunkenheit nicht eher zu entschuldigen, als grausam zu bestrafen? Besonders wo so sichre Hoffnung, wo GewiæŸheit ist, daæŸ die æœbel nicht wiederkehren werden? Waren Kæ¶nige darum nicht sicherer? Werden sie nicht von Welt und Nachwelt gepriesen, die eine Beleidigung ihrer Wæ¼rde vergeben, bedauern, verachten konnten? Werden sie nicht eben deswegen Gott gleich gehalten, der viel zu groæŸ ist, als daæŸ an ihn jede Læ¤sterung reichen sollte? Alba. Und eben darum soll der Kæ¶nig fæ¼r die Wæ¼rde Gottes und der Religion, wir sollen fæ¼r das Ansehn des Kæ¶nigs streiten. Was der obere abzulehnen verschmæ¤ht, ist unsere Pflicht zu ræ¤chen. Ungestraft soll, wenn ich rate, kein Schuldiger sich freuen. Egmont. Glaubst du, daæŸ du sie alle erreichen wirst? Hæ¶rt man nicht tæ¤glich, daæŸ die Furcht sie hie- und dahin, sie aus dem Lande treibt? Die Reichsten werden ihre Gæ¼ter, sich, ihre Kinder und Freunde flæ¼chten; der Arme wird seine næ¼tzlichen Hæ¤nde dem Nachbar zubringen. Alba. Sie werden, wenn man sie nicht verhindern kann. Darum verlangt der Kæ¶nig Rat und Tat von jedem Fæ¼rsten, Ernst von jedem Statthalter; nicht nur Erzæ¤hlung, wie es ist, was werden kæ¶nnte, wenn man alles gehen lieæŸe, wie's geht. Einem groæŸen æœbel zusehen, sich mit Hoffnung schmeicheln, der Zeit vertrauen, etwa einmal dreinschlagen, wie im Fastnachtsspiel, daæŸ es klatscht und man doch etwas zu tun scheint, wenn man nichts tun mæ¶chte, heiæŸt das nicht, sich verdæ¤chtig machen, als sehe man dem Aufruhr mit Vergnæ¼gen zu, den man nicht erregen, wohl aber hegen mæ¶chte! Egmont (im Begriff aufzufahren, nimmt sich zusammen und spricht nach einer kleinen Pause gesetzt). Nicht jede Absicht ist offenbar, und manches Mannes Absicht ist zu miæŸdeuten. MuæŸ man doch auch von allen Seiten hæ¶ren: es sei des Kæ¶nigs Absicht weniger, die Provinzen nach einfæ¶rmigen und klaren Gesetzen zu regieren, die Majestæ¤t der Religion zu sichern und einen allgemeinen Frieden seinem Volke zu geben, als vielmehr sie unbedingt zu unterjochen, sie ihrer alten Rechte zu berauben, sich Meister von ihren Besitztæ¼mern zu machen, die schæ¶nen Rechte des Adels einzuschræ¤nken, um derentwillen der Edle allein ihm dienen, ihm Leib und Leben widmen mag. Die Religion, sagt man, sei nur ein præ¤chtiger Teppich, hinter dem man jeden gefæ¤hrlichen Anschlag nur desto leichter ausdenkt. Das Volk liegt auf den Knien, betet die heiligen gewirkten Zeichen an, und hinten lauscht der Vogelsteller, der sie beræ¼cken will. Alba. Das muæŸ ich von dir hæ¶ren? Egmont. Nicht meine Gesinnungen! Nur was bald hier bald da, von GroæŸen und von Kleinen, Klugen und Toren gesprochen, laut verbreitet wird. Die Niederlæ¤nder fæ¼rchten ein doppeltes Joch, und wer bæ¼rgt ihnen fæ¼r ihre Freiheit? Alba. Freiheit? Ein schæ¶nes Wort, wer's recht verstæ¤nde. Was wollen sie fæ¼r Freiheit? Was ist des Freiesten Freiheit? - Recht zu tun! - und daran wird sie der Kæ¶nig nicht hindern. Nein! nein! sie glauben sich nicht frei, wenn sie sich nicht selbst und andern schaden kæ¶nnen. Wæ¤re es nicht besser, abzudanken, als ein solches Volk zu regieren? Wenn auswæ¤rtige Feinde dræ¤ngen, an die kein Bæ¼rger denkt, der mit dem Næ¤chsten nur beschæ¤ftigt ist, und der Kæ¶nig verlangt Beistand: dann werden sie uneins unter sich, und verschwæ¶ren sich gleichsam mit ihren Feinden. Weit besser ist's, sie einzuengen, daæŸ man sie wie Kinder halten, wie Kinder zu ihrem Besten leiten kann. Glaube nur, ein Volk wird nicht alt, nicht klug; ein Volk bleibt immer kindisch. Egmont. Wie selten kommt ein Kæ¶nig zu Verstand! Und sollen sich viele nicht lieber vielen vertrauen als einem? und nicht einmal dem einen, sondern den wenigen des einen, dem Volke, das an den Blicken seines Herrn altert. Das hat wohl allein das Recht, klug zu werden. Alba. Vielleicht eben darum, weil es sich nicht selbst æ¼berlassen ist. Egmont. Und darum niemand gern sich selbst æ¼berlassen mæ¶chte. Man tue, was man will; ich habe auf deine Frage geantwortet und wiederhole: Es geht nicht! Es kann nicht gehen! Ich kenne meine Landsleute. Es sind Mæ¤nner, wert, Gottes Boden zu betreten; ein jeder rund fæ¼r sich, ein kleiner Kæ¶nig, fest, ræ¼hrig, fæ¤hig, treu, an alten Sitten hangend. Schwer ist's, ihr Zutrauen zu verdienen; leicht, zu erhalten. Starr und fest! Zu dræ¼cken sind sie; nicht zu unterdræ¼cken. Alba (der sich indes einigemal umgesehen hat). Solltest du das alles in des Kæ¶nigs Gegenwart wiederholen? Egmont. Desto schlimmer, wenn mich seine Gegenwart abschreckte! Desto besser fæ¼r ihn, fæ¼r sein Volk, wenn er mir Mut machte, wenn er mir Zutrauen einflæ¶æŸte, noch weit mehr zu sagen. Alba. Was næ¼tzlich ist, kann ich hæ¶ren wie er. Egmont. Ich wæ¼rde ihm sagen: Leicht kann der Hirt eine ganze Herde Schafe vor sich hintreiben, der Stier zieht seinen Pflug ohne Widerstand; aber dem edeln Pferde, das du reiten willst, muæŸt du seine Gedanken ablernen, du muæŸt nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen. Darum wæ¼nscht der Bæ¼rger seine alte Verfassung zu behalten, von seinen Landsleuten regiert zu sein, weil er weiæŸ, wie er gefæ¼hrt wird, weil er von ihnen Uneigennutz, Teilnehmung an seinem Schicksal hoffen kann. Alba. Und sollte der Regent nicht Macht haben, dieses alte Herkommen zu veræ¤ndern? und sollte nicht eben dies sein schæ¶nstes Vorrecht sein? Was ist bleibend auf dieser Welt? und sollte eine Staatseinrichtung bleiben kæ¶nnen? MuæŸ nicht in einer Zeitfolge jedes Verhæ¤ltnis sich veræ¤ndern und eben darum eine alte Verfassung die Ursache von tausend æœbeln werden, weil sie den gegenwæ¤rtigen Zustand des Volkes nicht umfaæŸt? Ich fæ¼rchte, diese alten Rechte sind darum so angenehm, weil sie Schlupfwinkel bilden, in welchen der Kluge, der Mæ¤chtige, zum Schaden des Volks, zum Schaden des Ganzen, sich verbergen oder durchschleichen kann. Egmont. Und diese willkæ¼rlichen Veræ¤nderungen, diese unbeschræ¤nkten Eingriffe der hæ¶chsten Gewalt, sind sie nicht Vorboten, daæŸ einer tun will, was Tausende nicht tun sollen? Er will sich allein frei machen, um jeden seiner Wæ¼nsche befriedigen, jeden seiner Gedanken ausfæ¼hren zu kæ¶nnen. Und wenn wir uns ihm, einem guten weisen Kæ¶nige, ganz vertrauten, sagt er uns fæ¼r seine Nachkommen gut? daæŸ keiner ohne Ræ¼cksicht, ohne Schonung regieren werde? Wer rettet uns alsdann von væ¶lliger Willkæ¼r, wenn er uns seine Diener, seine Næ¤c