er Kaffee in vollem Strome auf den Teppich
sich ergoß.
"Mutter, Mutter", sagte Gregor leise und sah zu ihr hinauf. Der
Prokurist war ihm far einen Augenblick ganz aus dem Sinn gekommen;
dagegen konnte er sich nicht versagen, im Anblick des fließenden
Kaffees mehrmals mit den Kiefern ins Leere zu schnappen. daraber
schrie die Mutter neuerdings auf, flachtete vom Tisch und fiel dem
ihr entgegeneilenden Vater in die Arme. Aber Gregor hatte jetzt keine Zeit
far seine Eltern; der Prokurist war schon auf der Treppe; das Kinn
auf dem Gelander, sah er noch zum letzten Male zurack. Gregor
nahm einen Anlauf, um ihn maglichst sicher einzuholen; der Prokurist
mußte etwas ahnen, denn er machte einen Sprung aber mehrere
Stufen und verschwand; "Hu!" aber schrie er noch, es klang durchs ganze
Treppenhaus. Leider schien nun auch diese Flucht des Prokuristen den Vater,
der bisher verhaltnismaßig gefaßt gewesen war,
vallig zu verwirren, denn statt selbst dem Prokuristen nachzulaufen
oder wenigstens Gregor in der Verfolgung nicht zu hindern, packte er mit der
Rechten den Stock des Prokuristen, den dieser mit Hut und aberzieher
auf einem Sessel zurackgelassen hatte, holte mit der Linken eine
große Zeitung vom Tisch und machte sich unter
Faßestampfen daran, Gregor durch Schwenken des Stockes und der
Zeitung in sein Zimmer zurackzutreiben. Kein Bitten Gregors half,
kein Bitten wurde auch verstanden, er mochte den Kopf noch so dematig
drehen, der Vater stampfte nur starker mit den Faßen.
draben hatte die Mutter trotz des kahlen Wetters ein Fenster
aufgerissen, und hinausgelehnt drackte sie ihr Gesicht weit
außerhalb des Fensters in ihre Hande. Zwischen Gasse und
Treppenhaus entstand eine starke Zugluft, die Fenstervorhange flogen
auf, die Zeitungen auf dem Tische rauschten, einzelne Blatter wehten
aber den Boden hin. Unerbittlich drangte der Vater und
stieß Zischlaute aus, wie ein Wilder. Nun hatte aber Gregor noch gar
keine abung im Rackwartsgehen, es ging wirklich sehr
langsam. Wenn sich Gregor nur hatte umdrehen darfen, er
ware gleich in seinem Zimmer gewesen, aber er farchtete sich,
den Vater durch die zeitraubende Umdrehung ungeduldig zu machen, und jeden
Augenblick drohte ihm doch von dem Stock in des Vaters Hand der
tadliche Schlag auf den Racken oder auf den Kopf. Endlich aber
blieb Gregor doch nichts anderes abrig, denn er merkte mit Entsetzen,
daß er im Rackwartsgehen nicht einmal die Richtung
einzuhalten verstand; und so begann er, unter unaufharlichen
angstlichen Seitenblicken nach dem Vater, sich nach
Maglichkeit rasch, in Wirklichkeit aber doch nur sehr langsam
umzudrehen. Vielleicht merkte der Vater seinen guten Willen, denn er
starte ihn hierbei nicht, sondern dirigierte sogar hie und da die
Drehbewegung von der Ferne mit der Spitze seines Stockes. Wenn nur nicht
dieses unertragliche Zischen des Vaters gewesen ware! Gregor
verlor daraber ganz den Kopf. Er war schon fast ganz umgedreht, als
er sich, immer auf dieses Zischen horchend, sogar irrte und sich wieder ein
Stack zurackdrehte. Als er aber endlich glacklich mit
dem Kopf vor der Taraffnung war, zeigte es sich, daß
sein Karper zu breit war, um ohne weiteres durchzukommen. Dem Vater
fiel es natarlich in seiner gegenwartigen Verfassung auch
nicht entfernt ein, etwa den anderen Tarflagel zu
affnen, um far Gregor einen genagenden Durchgang zu
schaffen. Seine fixe Idee war bloß, daß Gregor so rasch als
maglich in sein Zimmer masse. Niemals hatte er auch die
umstandlichen Vorbereitungen gestattet, die Gregor brauchte, um sich
aufzurichten und vielleicht auf diese Weise durch die Tar zu kommen.
Vielmehr trieb er, als gabe es kein Hindernis, Gregor jetzt unter
besonderem Larm vorwarts; es klang schon hinter Gregor gar
nicht mehr wie die Stimme bloß eines einzigen Vaters; nun gab es
wirklich keinen Spaß mehr, und Gregor drangte sich -- geschehe
was wolle -- in die Tar. Die eine Seite seines Karpers hob
sich, er lag schief in der Taraffnung, seine eine Flanke war
ganz wundgerieben, an der weißen Tar blieben
haßliche Flecken, bald steckte er fest und hatte sich
allein nicht mehr rahren kannen, die Beinchen auf der einen
Seite hingen zitternd oben in der Luft, die auf der anderen waren
schmerzhaft zu Boden gedrackt -- da gab ihm der Vater von hinten
einen jetzt wahrhaftig erlasenden starken Stoß, und er flog,
heftig blutend, weit in sein Zimmer hinein. Die Tar wurde noch mit
dem Stock zugeschlagen, dann war es endlich still.
II
Erst in der Abenddammerung erwachte Gregor aus seinem schweren
ohnmachtsahnlichen Schlaf. Er ware gewiß nicht viel
spater auch ohne Starung erwacht, denn er fahlte sich
genagend ausgeruht und ausgeschlafen, doch schien es ihm, als
hatte ihn ein flachtiger Schritt und ein vorsichtiges
Schließen der zum Vorzimmer fahrenden Tar geweckt. Der
Schein der elektrischen Straßenlampen lag bleich hier und da auf der
Zimmerdecke und auf den haheren Teilen der Mabel, aber unten
bei Gregor war es finster. Langsam schob er sich, noch ungeschickt mit
seinen Fahlern tastend, die er erst jetzt schatzen lernte, zur
Tare hin, um nachzusehen, was dort geschehen war. Seine linke Seite
schien eine einzige lange, unangenehm spannende Narbe, und er mußte
auf seinen zwei Beinreihen regelrecht hinken. Ein Beinchen war
abrigens im Laufe der vormittagigen Vorfalle schwer verletzt
worden -- es war fast ein Wunder, daß nur eines verletzt worden war --
und schleppte leblos nach.
Erst bei der Tar merkte er, was ihn dorthin eigentlich gelockt
hatte; es war der Geruch von etwas Eßbarem gewesen. Denn dort stand
ein Napf mit saßer Milch gefallt, in der kleine
Schnitten von Weißbrot schwammen. Fast hatte er vor Freude
gelacht, denn er hatte noch graßeren Hunger als am Morgen, und
gleich tauchte er seinen Kopf fast bis aber die Augen in die Milch
hinein. Aber bald zog er ihn enttauscht wieder zurack; nicht
nur, daß ihm das Essen wegen seiner heiklen linken Seite
Schwierigkeiten machte -- und er konnte nur essen, wenn der ganze
Karper schnaufend mitarbeitete --, so schmeckte ihm aberdies
die Milch, die sonst sein Lieblingsgetrank war, und die ihm
gewiß die Schwester deshalb hereingestellt hatte, gar nicht, ja er
wandte sich fast mit Widerwillen von dem Napf ab und kroch in die
Zimmermitte zurack.
Im Wohnzimmer war, wie Gregor durch die Tarspalte sah, das Gas
angezandet, aber wahrend sonst zu dieser Tageszeit der Vater
seine nachmittags erscheinende Zeitung der Mutter und manchmal auch der
Schwester mit erhobener Stimme vorzulesen pflegte, harte man jetzt
keinen Laut. Nun, vielleicht war dieses Vorlesen, von dem ihm die Schwester
immer erzahlte und schrieb, in der letzten Zeit aberhaupt aus
der abung gekommen. Aber auch ringsherum war es so still, trotzdem
doch gewiß die Wohnung nicht leer war. "Was far ein stilles
Leben die Familie doch fahrte", sagte sich Gregor und fahlte,
wahrend er starr vor sich ins Dunkle sah, einen großen Stolz
daraber, daß er seinen Eltern und seiner Schwester ein solches
Leben in einer so schanen Wohnung hatte verschaffen kannen.
Wie aber, wenn jetzt alle Ruhe, aller Wohlstand, alle Zufriedenheit ein Ende
mit Schrecken nehmen sollten? Um sich nicht in solche Gedanken zu verlieren,
setzte sich Gregor lieber in Bewegung und kroch im Zimmer auf und ab.
Einmal wahrend des langen Abends wurde die eine Seitentar
und einmal die andere bis zu einer kleinen Spalte geaffnet und rasch
wieder geschlossen; jemand hatte wohl das Bedarfnis hereinzukommen,
aber auch wieder zu viele Bedenken. Gregor machte nun unmittelbar bei der
Wohnzimmertar halt, entschlossen, den zagernden Besucher doch
irgendwie hereinzubringen oder doch wenigstens zu erfahren, wer es sei; aber
nun wurde die Tar nicht mehr geaffnet und Gregor wartete
vergebens. Frah, als die Taren versperrt waren, hatten alle zu
ihm hereinkommen wollen, jetzt, da er die eine Tar geaffnet
hatte und die anderen offenbar wahrend des Tages geaffnet
worden waren, kam keiner mehr, und die Schlassel steckten nun auch
von außen.
Spat erst in der Nacht wurde das Licht im Wohnzimmer
ausgelascht, und nun war leicht festzustellen, daß die Eltern
und die Schwester so lange wachgeblieben waren, denn wie man genau
haren konnte, entfernten sich jetzt alle drei auf den
Fußspitzen. Nun kam gewiß bis zum Morgen niemand mehr zu Gregor
herein; er hatte also eine lange Zeit, um ungestart zu
aberlegen, wie er sein Leben jetzt neu ordnen sollte. Aber das hohe
freie Zimmer, in dem er gezwungen war, flach auf dem Boden zu liegen,
angstigte ihn, ohne daß er die Ursache herausfinden konnte,
denn es war ja sein seit fanf Jahren von ihm bewohntes Zimmer -- und
mit einer halb unbewußten Wendung und nicht ohne eine leichte Scham
eilte er unter das Kanapee, wo er sich, trotzdem sein Racken ein
wenig gedrackt wurde und trotzdem er den Kopf nicht mehr erheben
konnte, gleich sehr behaglich fahlte und nur bedauerte, daß
sein Karper zu breit war, um vollstandig unter dem Kanapee
untergebracht zu werden.
Dort blieb er die ganze Nacht, die er zum Teil im Halbschlaf, aus dem
ihn der Hunger immer wieder aufschreckte, verbrachte, zum Teil aber in
Sorgen und undeutlichen Hoffnungen, die aber alle zu dem Schlusse
fahrten, daß er sich vorlaufig ruhig verhalten und durch
Geduld und graßte Racksichtnahme der Familie die
Unannehmlichkeiten ertraglich machen masse, die er ihr in
seinem gegenwartigen Zustand nun einmal zu verursachen gezwungen war.
Schon am frahen Morgen, es war fast noch Nacht, hatte Gregor
Gelegenheit, die Kraft seiner eben gefaßten Entschlasse zu
prafen, denn vom Vorzimmer her affnete die Schwester, fast
vallig angezogen, die Tar und sah mit Spannung herein. Sie
fand ihn nicht gleich, aber als sie ihn unter dem Kanapee bemerkte -- Gott,
er mußte doch irgendwo sein, er hatte doch nicht wegfliegen
kannen --, erschrak sie so sehr, daß sie, ohne sich beherrschen
zu kannen, die Tar von außen wieder zuschlug. Aber als
bereue sie ihr Benehmen, affnete sie die Tar sofort wieder und
trat, als sei sie bei einem Schwerkranken oder gar bei einem Fremden, auf
den Fußspitzen herein. Gregor hatte den Kopf bis knapp zum Rande des
Kanapees vorgeschoben und beobachtete sie. Ob sie wohl bemerken
warde, daß er die Milch stehengelassen hatte, und zwar
keineswegs aus Mangel an Hunger, und ob sie eine andere Speise hereinbringen
warde, die ihm besser entsprach? Tate sie es nicht von selbst,
er wollte lieber verhungern, als sie darauf aufmerksam machen, trotzdem es
ihn eigentlich ungeheuer drangte, unterm Kanapee vorzuschießen,
sich der Schwester zu Faßen zu werfen und sie um irgend etwas
Gutes zum Essen zu bitten. Aber die Schwester bemerkte sofort mit
Verwunderung den noch vollen Napf, aus dem nur ein wenig Milch ringsherum
verschattet war, sie hob ihn gleich auf, zwar nicht mit den
bloßen Handen, sondern mit einem Fetzen, und trug ihn hinaus.
Gregor war außerst neugierig, was sie zum Ersatze bringen
warde, und er machte sich die verschiedensten Gedanken
daraber. Niemals aber hatte er erraten kannen, was die
Schwester in ihrer Gate wirklich tat. Sie brachte ihm, um seinen
Geschmack zu prafen, eine ganze Auswahl, alles auf einer alten
Zeitung ausgebreitet. Da war altes halbverfaultes Gemase; Knochen vom
Nachtmahl her, die von festgewordener weißer Soße umgeben waren;
ein paar Rosinen und Mandeln; ein Kase, den Gregor vor zwei Tagen
far ungenießbar erklart hatte; ein trockenes Brot, ein
mit Butter beschmiertes Brot und ein mit Butter beschmiertes und gesalzenes
Brot. Außerdem stellte sie zu dem allen noch den wahrscheinlich ein
far allemal far Gregor bestimmten Napf, in den sie Wasser
gegossen hatte. Und aus Zart Gefahl, da sie wußte, daß
Gregor vor ihr nicht essen warde, entfernte sie sich eiligst und
drehte sogar den Schlassel um, damit nur Gregor merken kanne,
daß er es sich so behaglich machen darfe, wie er wolle. Gregors
Beinchen schwirrten, als es jetzt zum Essen ging. Seine Wunden mußten
abrigens auch schon vollstandig geheilt sein, er fahlte
keine Behinderung mehr, er staunte daraber und dachte daran, wie er
vor mehr als einem Monat sich mit dem Messer ganz wenig in den Finger
geschnitten, und wie ihm diese Wunde noch vorgestern genug weh getan hatte.
"Sollte ich jetzt weniger Feingefahl haben?" dachte er und saugte
schon gierig an dem Kase, zu dem es ihn vor allen anderen Speisen
sofort und nachdracklich gezogen hatte. Rasch hintereinander und mit
vor Befriedigung tranenden Augen verzehrte er den Kase, das
Gemase und die Soße; die frischen Speisen dagegen schmeckten
ihm nicht, er konnte nicht einmal ihren Geruch vertragen und schleppte sogar
die Sachen, die er essen wollte, ein Stackchen weiter weg. Er war
schon langst mit allem fertig und lag nur noch faul auf der gleichen
Stelle, als die Schwester zum Zeichen, daß er sich zurackziehen
solle, langsam den Schlassel umdrehte. Das schreckte ihn sofort auf,
trotzdem er schon fast schlummerte, und er eilte wieder unter das Kanapee.
Aber es kostete ihn große Selbstaberwindung, auch nur die kurze
Zeit, wahrend welcher die Schwester im Zimmer war, unter dem Kanapee
zu bleiben, denn von dem reichlichen Essen hatte sich sein Leib ein wenig
gerundet und er konnte dort in der Enge kaum atmen. Unter kleinen
Erstickungsanfallen sah er mit etwas hervorgequollenen Augen zu, wie
die nichtsahnende Schwester mit einem Besen nicht nur die
aberbleibsel zusammenkehrte, sondern selbst die von Gregor gar nicht
berahrten Speisen, als seien also auch diese nicht mehr zu
gebrauchen, und wie sie alles hastig in einen Kabel schattete,
den sie mit einem Holzdeckel schloß, worauf sie alles hinaustrug. Kaum
hatte sie sich umgedreht, zog sich schon Gregor unter dem Kanapee hervor und
streckte und blahte sich.
Auf diese Weise bekam nun Gregor taglich sein Essen, einmal am
Morgen, wenn die Eltern und das Dienstmadchen noch schliefen, das
zweite Mal nach dem allgemeinen Mittagessen, denn dann schliefen die Eltern
gleichfalls noch ein Weilchen, und das Dienstmadchen wurde von der
Schwester mit irgendeiner Besorgung weggeschickt. Gewiß wollten auch
sie nicht, daß Gregor verhungere, aber vielleicht hatten sie es
nicht ertragen kannen, von seinem Essen mehr als durch
Harensagen zu erfahren, vielleicht wollte die Schwester ihnen auch
eine maglicherweise nur kleine Trauer ersparen, denn
tatsachlich litten sie ja gerade genug.
Mit welchen Ausreden man an jenem ersten Vormittag den Arzt und den
Schlosser wieder aus der Wohnung geschafft hatte, konnte Gregor gar nicht
erfahren, denn da er nicht verstanden wurde, dachte niemand daran, auch die
Schwester nicht, daß er die anderen verstehen kanne, und so
mußte er sich, wenn die Schwester in seinem Zimmer war, damit
begnagen, nur hier und da ihre Seufzer und Anrufe der Heiligen zu
haren. Erst spater, als sie sich ein wenig an alles
gewahnt hatte -- von vollstandiger Gewahnung konnte
natarlich niemals die Rede sein --, erhaschte Gregor manchmal eine
Bemerkung, die freundlich gemeint war oder so gedeutet werden konnte. "Heute
hat es ihm aber geschmeckt", sagte sie, wenn Gregor unter dem Essen
tachtig aufgeraumt hatte, wahrend sie im gegenteiligen
Fall, der sich allmahlich immer haufiger wiederholte, fast
traurig zu sagen pflegte: "Nun ist wieder alles stehen geblieben."
Wahrend aber Gregor unmittelbar keine Neuigkeit erfahren konnte,
erhorchte er manches aus den Nebenzimmern, und wo er nur einmal Stimmen
harte, lief er gleich zu der betreffenden Tar und
drackte sich mit ganzem Leib an sie. Besonders in der ersten: Zeit
gab es kein Gesprach, das nicht irgendwie, wenn auch nur im geheimen,
von ihm handelte. Zwei Tage lang waren bei allen Mahlzeiten Beratungen
daraber zu haren, wie man sich jetzt verhalten solle; aber
auch zwischen den Mahlzeiten sprach man aber das gleiche Thema, denn
immer waren zumindest zwei Familienmitglieder zu Hause, da wohl niemand
allein zu Hause bleiben wollte und man die Wohnung doch auf kennen Fall
ganzlich verlassen konnte. Auch hatte das Dienstmadchen gleich
am ersten Tag -- es war nicht ganz klar, was und wieviel sie von dem
Vorgefallenen wußte -- kniefallig die Mutter gebeten, sie
sofort zu entlassen, und als sie sich eine Viertelstunde danach
verabschiedete, dankte sie far die Entlassung unter Tranen,
wie far die graßte Wohltat, die man ihr erwiesen hatte,
und gab, ohne daß man es von ihr verlangte, einen
farchterlichen Schwur ab, niemandem auch nur das Geringste zu
verraten.
Nun mußte die Schwester im Verein mit der Mutter auch kochen;
allerdings machte das nicht viel Mahe, denn man aß fast nichts.
Immer wieder harte Gregor, wie der eine den anderen vergebens zum
Essen aufforderte und keine andere Antwort bekam, als: "Danke, ich habe
genug" oder etwas ahnliches. Getrunken wurde vielleicht auch nichts.
afters fragte die Schwester den Vater, ob er Bier haben wolle, und
herzlich erbot sie sich, es selbst zu holen, und als der Vater schwieg,
sagte sie, um ihm jedes Bedenken zu nehmen, sie kanne auch die
Hausmeisterin darum schicken, aber dann sagte der Vater schließlich
ein großes "Nein", und es wurde nicht mehr davon gesprochen.
Schon im Laufe des ersten Tages legte der Vater die ganzen
Vermagensverhaltnisse und Aussichten sowohl der Mutter, als
auch der Schwester dar. Hie und da stand er vom Tische auf und holte aus
seiner kleinen Wertheimkassa, die er aus dem vor fanf Jahren
erfolgten Zusammenbruch seines Geschaftes gerettet hatte, irgendeinen
Beleg oder irgendein Vormerkbuch. Man harte, wie er das komplizierte
Schloß aufsperrte und nach Entnahme des Gesuchten wieder
verschloß. Diese Erklarungen des Vaters waren zum Teil das
erste Erfreuliche, was Gregor seit seiner Gefangenschaft zu haren
bekam. Er war der Meinung gewesen, daß dem Vater von jenem
Geschaft her nicht das Geringste abriggeblieben war, zumindest
hatte ihm der Vater nichts Gegenteiliges gesagt, und Gregor allerdings hatte
ihn auch nicht darum gefragt. Gregors Sorge war damals nur gewesen, alles
daranzusetzen, um die Familie das geschaftliche Unglack, das
alle in eine vollstandige Hoffnungslosigkeit gebracht hatte,
maglichst rasch vergessen zu lassen. Und so hatte er damals mit ganz
besonderem Feuer zu arbeiten angefangen und war fast aber Nacht aus
einem kleinen Kommis ein Reisender geworden, der natarlich ganz
andere Maglichkeiten des Geldverdienens hatte, und dessen
Arbeitserfolge sich sofort in Form der Provision zu Bargeld verwandelten,
das der erstaunten und beglackten Familie zu Hause auf den Tisch
gelegt werden konnte. Es waren schane Zeiten gewesen, und niemals
nachher hatten sie sich, wenigstens in diesem Glanze, wiederholt, trotzdem
Gregor spater so viel Geld verdiente, daß er den Aufwand der
ganzen Familie zu tragen imstande war und auch trug. Man hatte sich eben
daran gewahnt, sowohl die Familie als auch Gregor, man nahm das Geld
dankbar an, er lieferte es gern ab, aber eine besondere Warme wollte
sich nicht mehr ergeben. Nur die Schwester war Gregor doch noch nahe
geblieben, und es war sein geheimer Plan, sie, die zum Unterschied von
Gregor Musik sehr liebte und rahrend Violine zu spielen verstand,
nachstes Jahr, ohne Racksicht auf die großen Kosten, die
das verursachen mußte, und die man schon auf andere Weise
hereinbringen warde, auf das Konservatorium zu schicken.
afters wahrend der kurzen Aufenthalte Gregors in der Stadt
wurde in den Gesprachen mit der Schwester das Konservatorium
erwahnt, aber immer nur als schaner Traum, an dessen
Verwirklichung nicht zu denken war, und die Eltern harten nicht
einmal diese unschuldigen Erwahnungen gern; aber Gregor dachte sehr
bestimmt daran und beabsichtigte, es am Weihnachtsabend feierlich zu
erklaren.
Solche in seinem gegenwartigen Zustand ganz nutzlose Gedanken
gingen ihm durch den Kopf, wahrend er dort aufrecht an der
Tare klebte und horchte. Manchmal konnte er vor allgemeiner
Madigkeit gar nicht mehr zuharen und ließ den Kopf
nachlassig gegen die Tar schlagen, hielt ihn aber sofort
wieder fest, denn selbst das kleine Gerausch, das er damit verursacht
hatte, war nebenan gehart worden und hatte alle verstummen lassen.
"Was er nur wieder treibt", sagte der Vater nach einer Weile, offenbar zur
Tare hingewendet, und dann erst wurde das unterbrochene
Gesprach allmahlich wieder aufgenommen.
Gregor erfuhr nun zur Genage -- denn der Vater pflegte sich in
seinen Erklarungen afters zu wiederholen, teils, weil er
selbst sich mit diesen Dingen schon lange nicht beschaftigt hatte,
teils auch, weil die Mutter nicht alles gleich beim erstenmal verstand --,
daß trotz allen Unglacks ein allerdings ganz kleines
Vermagen aus der alten Zeit noch vorhanden war, das die nicht
angerahrten Zinsen in der Zwischenzeit ein wenig hatten anwachsen
lassen. Außerdem aber war das Geld, das Gregor allmonatlich nach Hause
gebracht hatte -- er selbst hatte nur ein paar Gulden far sich
behalten --, nicht vollstandig aufgebraucht worden und hatte sich zu
einem kleinen Kapital angesammelt. Gregor, hinter seiner Tare, nickte
eifrig, erfreut aber diese unerwartete Vorsicht und Sparsamkeit.
Eigentlich hatte er ja mit diesen aberschassigen
Geldern die Schuld des Vaters gegenaber dem Chef weiter abgetragen
haben kannen, und jener Tag, an dem er diesen Posten hatte
loswerden kannen, ware weit naher gewesen, aber jetzt
war es zweifellos besser so, wie es der Vater eingerichtet hatte.
Nun genagte dieses Geld aber ganz und gar nicht, um die Familie
etwa von den Zinsen leben zu lassen; es genagte vielleicht, um die
Familie ein, hachstens zwei Jahre zu erhalten, mehr war es nicht. Es
war also bloß eine Summe, die man eigentlich nicht angreifen durfte,
und die far den Notfall zurackgelegt werden mußte; das
Geld zum Leben aber mußte man verdienen. Nun war aber der Vater ein
zwar gesunder, aber alter Mann, der schon fanf Jahre nichts
gearbeitet hatte und sich jedenfalls nicht viel zutrauen durfte; er hatte in
diesen fanf Jahren, welche die ersten Ferien seines mahevollen
und doch erfolglosen Lebens waren, viel Fett angesetzt und war dadurch recht
schwerfallig geworden. Und die alte Mutter sollte nun vielleicht Geld
verdienen, die an Asthma litt, der eine Wanderung durch die Wohnung schon
Anstrengung verursachte, und die jeden zweiten Tag in Atembeschwerden auf
dem Sofa beim offenen Fenster verbrachte? Und die Schwester sollte Geld
verdienen, die noch ein Kind war mit ihren siebzehn Jahren, und der ihre
bisherige Lebensweise so sehr zu gannen war, die daraus bestanden
hatte, sich nett zu kleiden, lange zu schlafen, in der Wirtschaft
mitzuhelfen, an ein paar bescheidenen Vergnagungen sich zu beteiligen
und vor allem Violine zu spielen? Wenn die Rede auf diese Notwendigkeit des
Geldverdienens kam, ließ zuerst immer Gregor die Tare los und
warf sich auf das neben der Tar befindliche kahle Ledersofa,
denn ihm war ganz heiß vor Beschamung und Trauer.
Oft lag er dort die ganzen langen Nachte aber, schlief
keinen Augenblick und scharrte nur stundenlang auf dem Leder. Oder er
scheute nicht die Mahe, einen Sessel zum Fenster zu schieben, dann
die Fensterbrastung hinaufzukriechen und, in den Sessel gestemmt,
sich ans Fenster zu lehnen, offenbar nur in irgendeiner Erinnerung an das
Befreiende, das fraher far ihn darin gelegen war, aus dem
Fenster zu schauen. Denn tatsachlich sah er von Tag zu Tag die auch
nur ein wenig entfernten Dinge immer undeutlicher; das
gegenaberliegende Krankenhaus, dessen nur allzu haufigen
Anblick er fraher verflucht hatte, bekam er aberhaupt nicht
mehr zu Gesicht, und wenn er nicht genau gewußt hatte,
daß er in der stillen, aber vallig stadtischen
Charlottenstraße wohnte, hatte er glauben kannen, von
seinem Fenster aus in eine Einade zu schauen, in welcher der graue
Himmel und die graue Erde ununterscheidbar sich vereinigten. Nur zweimal
hatte die aufmerksame Schwester sehen massen, daß der Sessel
beim Fenster stand, als sie schon jedesmal, nachdem sie das Zimmer
aufgeraumt hatte, den Sessel wieder genau zum Fenster hinschob, ja
sogar von nun ab den inneren Fensterflagel offen ließ.
Hatte Gregor nur mit der Schwester sprechen und ihr far
alles danken kannen, was sie far ihn machen mußte, er
hatte ihre Dienste leichter ertragen; so aber litt er darunter. Die
Schwester suchte freilich die Peinlichkeit des Ganzen maglichst zu
verwischen, und je langere Zeit verging, desto besser gelang es ihr
natarlich auch, aber auch Gregor durchschaute mit der Zeit alles viel
genauer. Schon ihr Eintritt war far ihn schrecklich. Kaum war sie
eingetreten, lief sie, ohne sich Zeit zu nehmen, die Tare zu
schließen, so sehr sie sonst darauf achtete, jedem den Anblick von
Gregors Zimmer zu ersparen, geradewegs zum Fenster und riß es, als
ersticke sie fast, mit hastigen Handen auf, blieb auch, selbst wenn
es noch so kalt war, ein Weilchen beim Fenster und atmete tief. Mit diesem
Laufen und Larmen erschreckte sie Gregor taglich zweimal; die
ganze Zeit aber zitterte er unter dem Kanapee und wußte doch
sehr gut, daß sie ihn gewiß gerne damit verschont hatte,
wenn es ihr nur maglich gewesen ware, sich in einem Zimmer, in
dem sich Gregor befand, bei geschlossenem Fenster aufzuhalten.
Einmal, es war wohl schon ein Monat seit Gregors Verwandlung vergangen,
und es war doch schon far die Schwester kein besonderer Grund mehr,
aber Gregors Aussehen in Erstaunen zu geraten, kam sie ein wenig
fraher als sonst und traf Gregor noch an, wie er, unbeweglich und so
recht zum Erschrecken aufgestellt, aus dem Fenster schaute. Es ware
far Gregor nicht unerwartet gewesen, wenn sie nicht eingetreten
ware, da er sie durch seine Stellung verhinderte, sofort das Fenster
zu affnen, aber sie trat nicht nur nicht ein, sie fuhr sogar
zurack und schloß die Tar; ein Fremder hatte
geradezu denken kannen, Gregor habe ihr aufgelauert und habe sie
beißen wollen. Gregor versteckte sich natarlich sofort unter
dem Kanapee, aber er mußte bis zum Mittag warten, ehe die Schwester
wiederkam, und sie schien viel unruhiger als sonst. Er erkannte daraus,
daß ihr sein Anblick noch immer unertraglich war und ihr auch
weiterhin unertraglich bleiben masse, und daß sie sich
wohl sehr aberwinden mußte, vor dem Anblick auch nur der
kleinen Partie seines Karpers nicht davonzulaufen, mit der er unter
dem Kanapee hervorragte. Um ihr auch diesen Anblick zu ersparen, trug er
eines Tages auf seinem Racken -- er brauchte zu dieser Arbeit vier
Stunden -- das Leintuch auf das Kanapee und ordnete es in einer solchen
Weise an, daß er nun ganzlich verdeckt war, und daß die
Schwester, selbst wenn sie sich backte, ihn nicht sehen konnte.
Ware dieses Leintuch ihrer Meinung nach nicht natig gewesen,
dann hatte sie es ja entfernen kannen, denn daß es nicht
zum Vergnagen Gregors geharen konnte, sich so ganz und gar
abzusperren, war doch klar genug, aber sie ließ das Leintuch, so wie
es war, und Gregor glaubte sogar einen dankbaren Blick erhascht zu haben,
als er einmal mit dem Kopf vorsichtig das Leintuch ein wenig laftete,
um nachzusehen, wie die Schwester die neue Einrichtung aufnahm.
In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern nicht aber
sich bringen, zu ihm hereinzukommen, und er harte oft, wie sie die
jetzige Arbeit der Schwester vallig anerkannten, wahrend sie
sich bisher haufig aber die Schwester geargert hatten,
weil sie ihnen als ein etwas nutzloses Madchen erschienen war. Nun
aber warteten oft beide, der Vater und die Mutter, vor Gregors Zimmer,
wahrend die Schwester dort aufraumte, und kaum war sie
herausgekommen, mußte sie ganz genau erzahlen, wie es in dem
Zimmer aussah, was Gregor gegessen hatte, wie er sich diesmal benommen
hatte, und ob vielleicht eine kleine Besserung zu bemerken war. Die Mutter
abrigens wollte verhaltnismaßig bald Gregor
besuchen, aber der Vater und die Schwester hielten sie zuerst mit
Vernunftgranden zurack, denen Gregor sehr aufmerksam
zuharte, und die er vollstandig billigte. Spater aber
mußte man sie mit Gewalt zurackhalten, und wenn sie dann rief:
"Laßt mich doch zu Gregor, er ist ja mein unglacklicher Sohn!
Begreift ihr es denn nicht, daß ich zu ihm muß?", dann dachte
Gregor, daß es vielleicht doch gut ware, wenn die Mutter
hereinkame, nicht jeden Tag natarlich, aber vielleicht einmal
in der Woche; sie verstand doch alles viel besser als die Schwester, die
trotz all ihrem Mute doch nur ein Kind war und im letzten Grunde vielleicht
nur aus kindlichem Leichtsinn eine so schwere Aufgabe abernommen
hatte.
Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald in Erfallung.
Wahrend des Tages wollte Gregor schon aus Racksicht auf seine
Eltern sich nicht beim Fenster zeigen, kriechen konnte er aber auf den paar
Quadratmetern des Fußbodens auch nicht viel, das ruhige Liegen ertrug
er schon wahrend der Nacht schwer, das Essen machte ihm bald nicht
mehr das geringste Vergnagen, und so nahm er zur Zerstreuung die
Gewohnheit an, kreuz und quer aber Wande und Plafond zu
kriechen. Besonders oben auf der Decke hing er gern; es war ganz anders, als
das Liegen auf dem Fußboden; man atmete freier; ein leichtes Schwingen
ging durch den Karper; und in der fast glacklichen
Zerstreutheit, in der sich Gregor dort oben befand, konnte es geschehen,
daß er zu seiner eigenen aberraschung sich losließ und
auf den Boden klatschte. Aber nun hatte er natarlich seinen
Karper ganz anders in der Gewalt als fraher und
beschadigte sich selbst bei einem so großen Falle nicht. Die
Schwester nun bemerkte sofort die neue Unterhaltung, die Gregor far
sich gefunden hatte -- er hinterließ ja auch beim Kriechen hie und da
Spuren seines Klebstoffes --, und da setzte sie es sich in den Kopf, Gregor
das Kriechen in graßtem Ausmaße zu ermaglichen und
die Mabel, die es verhinderten, also vor allem den Kasten und den
Schreibtisch, wegzuschaffen. Nun war sie aber nicht imstande, dies allein zu
tun; den Vater wagte sie nicht um Hilfe zu bitten; das Dienstmadchen
hatte ihr ganz gewiß nicht geholfen, denn dieses etwa
sechzehnjahrige Madchen harrte zwar tapfer seit Entlassung der
fraheren Kachin aus, hatte aber um die Verganstigung
gebeten, die Kache unaufharlich versperrt halten zu
darfen und nur auf besonderen Anruf affnen zu massen;
so blieb der Schwester also nichts abrig, als einmal in Abwesenheit
des Vaters die Mutter zu holen. Mit Ausrufen erregter Freude kam die Mutter
auch heran, verstummte aber an der Tar vor Gregors Zimmer. Zuerst sah
natarlich die Schwester nach, ob alles im Zimmer in Ordnung war; dann
erst ließ sie die Mutter eintreten. Gregor hatte in
graßter Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Falten
gezogen, das Ganze sah wirklich nur wie ein zufallig aber das
Kanapee geworfenes Leintuch aus. Gregor unterließ auch diesmal, unter
dem Leintuch zu spionieren; er verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal
zu sehen, und war nur froh, daß sie nun doch gekommen war. "Komm nur,
man sieht ihn nicht", sagte die Schwester, und offenbar fahrte sie
die Mutter an der Hand. Gregor harte nun, wie die zwei schwachen
Frauen den immerhin schweren alten Kasten von seinem Platz rackten,
und wie die Schwester immerfort den graßten Teil der Arbeit
far sich beanspruchte, ohne auf die Warnungen der Mutter zu
haren, welche farchtete, daß sie sich
aberanstrengen werde. Es dauerte sehr lange. Wohl nach schon
viertelstandiger Arbeit sagte die Mutter, man solle den Kasten doch
lieber hier lassen, denn erstens sei er zu schwer, sie warden vor
Ankunft des Vaters nicht fertig werden und mit dem Kasten in der Mitte des
Zimmers Gregor jeden Weg verrammeln, zweitens aber sei es doch gar nicht
sicher, daß Gregor mit der Entfernung der Mabel ein Gefallen
geschehe. Ihr scheine das Gegenteil der Fall zu sein; ihr bedracke
der Anblick der leeren Wand geradezu das Herz; und warum solle nicht auch
Gregor diese Empfindung haben, da er doch an die Zimmermabel
langst gewahnt sei und sich deshalb im leeren Zimmer verlassen
fahlen werde. "Und ist es dann nicht so", schloß die Mutter
ganz leise, wie sie aberhaupt fast flasterte, als wolle sie
vermeiden, daß Gregor, dessen genauen Aufenthalt sie ja nicht kannte,
auch nur den Klang der Stimme hare, denn daß er die Worte nicht
verstand, davon war sie aberzeugt, "und ist es nicht so, als ob wir
durch die Entfernung der Mabel zeigten, daß wir jede Hoffnung
auf Besserung aufgeben und ihn racksichtslos sich selbst
aberlassen? Ich glaube, es ware das beste, wir suchen das
Zimmer genau in dem Zustand zu erhalten, in dem es fraher war, damit
Gregor, wenn er wieder zu uns zurackkommt, alles unverandert
findet und um so leichter die Zwischenzeit vergessen kann."
Beim Anharen dieser Worte der Mutter erkannte Gregor, daß
der Mangel jeder unmittelbaren menschlichen Ansprache, verbunden mit dem
einfarmigen Leben inmitten der Familie, im Laufe dieser zwei Monate
seinen Verstand hatte verwirren massen, denn anders konnte er es sich
nicht erklaren, daß er ernsthaft danach hatte verlangen
kannen, daß sein Zimmer ausgeleert warde. Hatte er
wirklich Lust, das warme, mit ererbten Mabeln gematlich
ausgestattete Zimmer in eine Hahle verwandeln zu lassen, in der er
dann freilich nach allen Richtungen ungestart warde kriechen
kannen, jedoch auch unter gleichzeitigem schnellen, ganzlichen
Vergessen seiner menschlichen Vergangenheit? War er doch jetzt schon nahe
daran, zu vergessen, und nur die seit langem nicht geharte Stimme der
Mutter hatte ihn aufgerattelt. Nichts sollte entfernt werden; alles
mußte bleiben; die guten Einwirkungen der Mabel auf seinen
Zustand konnte er nicht entbehren; und wenn die Mabel ihn hinderten,
das sinnlose Herumkriechen zu betreiben, so war es kein Schaden, sondern ein
großer Vorteil.
Aber die Schwester war leider anderer Meinung; sie hatte sich,
allerdings nicht ganz unberechtigt, angewahnt, bei Besprechung der
Angelegenheiten Gregors als besonders Sachverstandige
gegenaber den Eltern aufzutreten, und so war auch jetzt der Rat der
Mutter far die Schwester Grund genug, auf der Entfernung nicht nur
des Kastens und des Schreibtisches, an die sie zuerst allein gedacht hatte,
sondern auf der Entfernung samtlicher Mabel, mit Ausnahme des
unentbehrlichen Kanapees, zu bestehen. Es war natarlich nicht nur
kindlicher Trotz und das in der letzten Zeit so unerwartet und schwer
erworbene Selbstvertrauen, das sie zu dieser Forderung bestimmte; sie hatte
doch auch tatsachlich beobachtet, daß Gregor viel Raum zum
Kriechen brauchte, dagegen die Mabel, soweit man sehen konnte, nicht
im geringsten benatzte. Vielleicht aber spielte auch