men.  Die
Lippen beben mir dabei. Aber ich luchele - Kat ist geborgen.
     Nach einer  Weile unterscheide ich  den verworrenen Stimmenschwall, der
sich in meinem Ohr fungt.
     "Das huttest du dir sparen kunnen", sagt ein Sanituter.
     Ich sehe ihn verstundnislos an.
     Er zeigt auf Kat. "Er ist ja tot."
     Ich begreife nicht. "Er hat einen Schienbeinschuß", sage ich.
     Der Sanituter bleibt stehen. "Das auch -"
     Ich drehe mich um. Meine Augen sind noch immer trube, der Schweiß
ist mir jetzt  von  neuem ausgebrochen, er luuft uber die Lider. Ich  wische
ihn fort und sehe zu Kat hin. Er liegt still. "Ohnmuchtig", sage ich rasch.
     Der Sanituter pfeift leise: "Das kenne ich nun doch besser. Er ist tot.
Darauf halte ich jede Wette."
     Ich schuttele den Kopf. "Ausgeschlossen! Vor zehn Minuten noch habe ich
mit ihm gesprochen. Er ist  ohnmuchtig." Kats Hunde sind warm, ich fasse ihn
bei den Schultern,  um  ihn mit  Tee abzureiben. Da  fuhle  ich meine Finger
naß  werden.  Als ich  sie hinter seinem  Kopf  hervorziehe, sind  sie
blutig. Der Sanituter pfeift wieder durch die Zuhne: "Siehst du -"
     Kat  hat, ohne daß ich es bemerkt habe, unterwegs  einen Splitter
in den Kopf bekommen.  Nur ein kleines Loch ist  da,  es  muß ein ganz
geringer, verirrter Splitter gewesen sein. Aber  er hat ausgereicht. Kat ist
tot.
     Ich stehe langsam auf.
     "Willst  du sein  Soldbuch  und  seine  Sachen mitnehmen  ?" fragt  der
Gefreite mich.
     Ich nicke, und er gibt sie mir.
     Der Sanituter ist verwundert. "Ihr seid doch nicht verwandt?"
     Nein, wir sind nicht verwandt. Nein, wir sind nicht verwandt.
     Gehe ich? Habe ich  noch  Fuße? Ich hebe die Augen, ich lasse sie
herumgehen und  drehe  mich  mit  ihnen, einen Kreis, einen Kreis,  bis  ich
innehalte.  Es  ist   alles  wie  sonst.  Nur  der  Landwehrmann  Stanislaus
Katczinsky ist gestorben.
     Dann weiß ich nichts mehr.
     Es ist Herbst. Von den  alten  Leuten sind nicht mehr viele da. Ich bin
der letzte von den sieben Mann aus unserer Klasse hier.
     Jeder spricht  von Frieden  und Waffenstillstand. Alle warten. Wenn  es
wieder  eine  Enttuuschung  wird,  dann  werden  sie   zusammenbrechen,  die
Hoffnungen sind zu stark, sie lassen sich  nicht mehr fortschaffen,  ohne zu
explodieren. Gibt es keinen Frieden, dann gibt es Revolution.
     Ich habe vierzehn  Tage Ruhe,  weil ich  etwas Gas geschluckt habe.  In
einem  kleinen  Garten  sitze  ich  den   ganzen   Tag  in  der  Sonne.  Der
Waffenstillstand kommt bald, ich glaube es jetzt auch. Dann  werden wir nach
Hause fahren.
     Hier  stocken meine Gedanken  und sind nicht  weiterzubringen. Was mich
mit ubermacht hinzieht und erwartet, sind Gefuhle. Es ist Lebensgier, es ist
Heimatgefuhl, es ist  das Blut, es  ist der Rausch der Rettung. Aber es sind
keine Ziele.
     Wuren wir 1916 heimgekommen, wir hutten aus dem Schmerz  und der Sturke
unserer Erlebnisse einen Sturm entfesselt. Wenn wir jetzt zuruckkehren, sind
wir  mude, zerfallen, ausgebrannt, wurzellos  und ohne Hoffnung.  Wir werden
uns nicht mehr zurechtfinden kunnen.
     Man wird uns auch nicht verstehen - denn vor uns wuchst ein Geschlecht,
das  zwar  die Jahre hier gemeinsam  mit uns  verbrachte,  das aber Bett und
Beruf hatte und jetzt zuruckgeht in  seine alten Positionen, in denen es den
Krieg vergessen wird,  - und  hinter uns wuchst  ein Geschlecht, uhnlich uns
fruher,  das  wird uns  fremd  sein  und  uns beiseite  schieben.  Wir  sind
uberflussig fur uns selbst, wir werden wachsen, einige werden sich anpassen,
andere  sich  fugen,  und  viele  werden ratlos  sein; -  die  Jahre  werden
zerrinnen, und schließlich werden wir zugrunde gehen.
     Aber vielleicht ist auch alles dieses, was ich denke, nur Schwermut und
Besturzung, die fortstuubt, wenn  ich wieder unter den Pappeln stehe und dem
Rauschen ihrer Blutter lausche.  Es kann nicht  sein, daß es fort ist,
das  Weiche, das unser  Blut  unruhig  machte,  das  Ungewisse, Besturzende,
Kommende, die  tausend Gesichter  der  Zukunft, die  Melodie aus Truumen und
Buchern,  das Rauschen  und  die  Ahnung  der  Frauen, es  kann nicht  sein,
daß  es   untergegangen  ist   in   Trommelfeuer,   Verzweiflung   und
Mannschaftsbordells.
     Die  Buume hier  leuchten bunt  und golden, die Beeren  der  Ebereschen
stehen rot im Laub, Landstraßen laufen weiß auf den Horizont zu,
und die Kantinen summen wie Bienenstucke von Friedensgeruchten.
     Ich stehe auf.
     Ich bin sehr ruhig. Mugen die Monate  und Jahre kommen,  sie nehmen mir
nichts mehr, sie  kunnen mir  nichts  mehr nehmen. Ich  bin so allein und so
ohne Erwartung,  daß  ich  ihnen entgegensehen kann  ohne  Furcht. Das
Leben, das mich durch diese Jahre trug, ist noch in meinen Hunden und Augen.
Ob  ich es uberwunden habe,  weiß ich nicht.  Aber solange es  da ist,
wird es sich  seinen Weg  suchen,  mag dieses, das in mir "Ich" sagt, wollen
oder nicht.
     Er  fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war  an
der  ganzen  Front,  daß  der  Heeresbericht sich  nur  auf  den  Satz
beschrunkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.
     Er war  vornubergesunken und lag wie schlafend an der Erde. Als man ihn
umdrehte, sah man, daß  er  sich  nicht lange  gequult haben konnte; -
sein Gesicht  hatte  einen so gefaßten Ausdruck,  als wure er  beinahe
zufrieden damit, daß es so gekommen war.
     OCR, Spellcheck: Илья Франк, http://franklang.ru (мультиязыковой проект
Ильи Франка)
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