nen vereinzelt groYAe, graue, verschlieYAbare Kisten in den Fensternischen standen. Eiserne T'ren mit Riegelstangen und kleinen, vergitterten Ausschnitten, 'ber jedem eine Gasflamme, zogen sich in ununterbrochener Reihe die Wand entlang. Ein h'nenhafter, soldatisch aussehender Gefangenwdrter - das erste ehrliche Gesicht seit Stunden - sperrte eine der T'ren auf, schob mich in eine dunkle, schrankartige, pestilenzialisch stinkende Cffnung und schloYA hinter mir ab. Ich stand in vollkommener Finsternis und tappte mich zurecht. Mein Knie stieYA an einen Blechk'bel. Endlich erwischte ich - der Raum war so eng, daYA ich mich kaum umdrehen konnte - eine Klinke, und stand in - einer Zelle. Je zwei und zwei Pritschen mit Strohsdcken an den Mauern. Der Durchgang dazwischen nur einen Schritt breit. Ein Quadratmeter Gitterfenster hoch oben in der Querwand lieYA den matten Schein des Nachthimmels herein. Unertrdgliche Hitze, vom Geruch alter Kleider verpestete Luft erf'llte den Raum. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewchnt hatten, sah ich, daYA auf drei der Pritschen - die vierte war leer - Menschen in grauen Strdflingskleidern saYAen; die Arme auf die Knie gest'tzt und die Gesichter in den Hdnden vergraben. Keiner sprach ein Wort. Ich setzte mich auf das leere Bett und wartete. Wartete. Wartete. Eine Stunde. Zwei - drei Stunden! Wenn ich drauYAen einen Schritt zu hcren glaubte, fuhr ich auf: Jetzt, jetzt kam man mich holen, um mich dem Untersuchungsrichter vorzuf'hren. Jedesmal war es eine Tduschung gewesen. Immer wieder verloren sich die Schritte auf dem Gang. Ich riYA mir den Kragen auf - glaubte, ersticken zu m'ssen. Ich hcrte, wie ein Gefangener nach dem andern sich dchzend ausstreckte. "Kann man denn das Fenster da oben nicht aufmachen?", fragte ich voll Verzweiflung laut in die Dunkelheit hinein. Ich erschrak fast vor meiner eigenen Stimme. "Es geht net", antwortete es m'rrisch von einem der Strohsdcke her'ber. Ich tastete trotzdem mit der Hand an der Schmalwand entlang: ein Brett in Brusthche lief quer hin - - - zwei Wasserkr'ge - - - St'cke von Brotrinden. M'hsam kletterte ich hinauf, hielt mich an den Gitterstdben und preYAte das Gesicht an die Fensterritzen, um wenigstens etwas frische Luft zu atmen. 0x01 graphic So stand ich, bis mir die Knie zitterten. Eintcniger, schwarzgrauer Nachtnebel vor meinen Augen. Die kalten Eisenstdbe schwitzten. Es muYAte bald Mitternacht sein. Hinter mir hcrte ich schnarchen. Nur einer schien nicht schlafen zu kcnnen: er warf sich hin und her auf dem Stroh und stchnte manchmal halblaut auf. Wollte denn der Morgen nicht endlich kommen?! Da! Es schlug wieder. Ich zdhlte mit bebenden Lippen: Eins, zwei, drei! - Gott sei Dank, nur noch wenige Stunden, dann muYAte die Ddmmerung kommen. Es schlug weiter: Vier? f'nf? - Der SchweiYA trat mir auf die Stirn. - Sechs!! - Sieben - - - es war elf Uhr. Erst eine Stunde war vergangen, seit ich das letzte Mal hatte schlagen hcren. 0x01 graphic Allmdhlich legten sich meine Gedanken zurecht: Wassertrum hat mir die Uhr des vermiYAten Zottmann zugespielt, um mich in Verdacht zu bringen, einen Mord begangen zu haben. - Er muYAte also selbst der Mcrder sein; wie hdtte er sonst in den Besitz der Uhr kommen kcnnen? W'rde er die Leiche irgendwo gefunden und dann erst beraubt haben, hdtte er sich bestimmt die tausend Gulden Belohnung geholt, die f'r die Entdeckung des VermiYAten cffentlich ausgesetzt waren. - Das konnte aber nicht sein: die Plakate klebten noch immer an den StraYAenecken, wie ich deutlich auf meinem Weg ins Gefdngnis gesehen hatte. - - - DaYA der Trcdler mich angezeigt haben muYAte, war klar. Ebenso: daYA er mit dem Polizeirat, wenigstens was Angelina betraf, unter einer Decke steckte. Wozu sonst das Verhcr wegen Savioli? Andererseits ging daraus hervor, daYA Wassertrum Angelinas Briefe noch nicht in Hdnden hatte. Ich gr'belte nach - - - Mit einem Schlag stand alles mit entsetzlicher Deutlichkeit vor mir, als wdre ich selbst dabei gewesen. Ja; nur so konnte es sein: Wassertrum hatte meine eiserne Kassette, in der er Beweise vermutete, heimlich an sich genommen, als er gerade mit seinen Polizeikomplizen meine Wohnung durchstcberte, - konnte sie nicht sogleich cffnen, da ich den Schl'ssel bei mir trug, und war - - - vielleicht gerade jetzt daran, sie in seiner Hchle aufzubrechen. In wahnsinniger Verzweiflung r'ttelte ich an den Gitterstdben, sah Wassertrum im Geiste vor mir, wie er in Angelinas Briefen w'hlte - Wenn ich nur Charousek benachrichtigen kcnnte, daYA er Savioli wenigstens rechtzeitig warnen ging! Einen Augenblick klammerte ich mich an die Hoffnung, meine Verhaftung m'sse bereits wie ein Lauffeuer in der Judenstadt bekannt geworden sein, und ich vertraute auf Charousek wie auf einen rettenden Engel. Gegen seine infernalische Schlauheit kam der Trcdler nicht auf; "Ich werde ihn genau in der Stunde an der Gurgel haben, in der er Dr. Savioli an den Hals will", hatte Charousek schon einmal gesagt. In der ndchsten Minute wieder verwarf ich alles, und eine wilde Angst packte mich: Wie, wenn Charousek zu spdt kam? Dann war Angelina verloren. - - - Ich biYA mir die Lippen blutig und zerkrallte mir die Brust aus Reue, daYA ich die Briefe damals nicht sofort verbrannt hatte; - - - ich schwor es mir zu, Wassertrum noch in derselben Stunde aus der Welt zu schaffen, wo ich wieder auf freiem FuYA sein w'rde. Ob ich von eigener Hand starb oder am Galgen - was lag mir daran! DaYA der Untersuchungsrichter meinen Worten glauben w'rde, wenn ich ihm die Geschichte mit der Uhr plausibel machte, ihm von Wassertrums Drohungen erzdhlte, - keinen Augenblick zweifelte ich daran. Bestimmt morgen schon muYAte ich frei sein; zumindest w'rde das Gericht auch Wassertrum wegen Mordverdachts verhaften lassen. Ich zdhlte die Stunden und betete, daYA sie rascher vergehen mcchten; starrte hinaus in den schwdrzlichen Dunst. Nach unsdglich langer Zeit fing es endlich an, heller zu werden, und zuerst wie ein dunkler Fleck, dann immer deutlicher, tauchte ein kupfernes, riesiges Gesicht aus dem Nebel: das Zifferblatt einer alten Turmuhr. Doch die Zeiger fehlten; - neuerliche Qual. Dann schlug es f'nf. Ich hcrte, wie die Gefangenen erwachten und gdhnend eine Unterhaltung in bchmischer Sprache f'hrten. Eine Stimme kam mir bekannt vor; ich drehte mich um, stieg von dem Brett herunter und - sah den blatternarbigen Loisa auf der Pritsche, gegen'ber der meinigen, sitzen und mich verwundert anstarren. Die beiden anderen waren Gesellen mit verwegenen Gesichtern und musterten mich geringschdtzig. "Defraudant? Was?", fragte der eine halblaut seinen Kameraden und stieYA ihn mit dem Ellenbogen an. Der Gefragte brummte irgend etwas verdchtlich, kramte in seinem Strohsack, holte ein schwarzes Papier hervor und legte es auf den Boden. Dann sch'ttete er aus dem Krug ein wenig Wasser darauf, kniete nieder, bespiegelte sich darin und kdmmte sich mit den Fingern das Haar in die Stirn. Hierauf trocknete er das Papier mit zdrtlicher Sorgfalt ab und versteckte es wieder unter der Pritsche. "Pan Pernath, Pan Pernath", murmelte Loisa dabei bestdndig mit aufgerissenen Augen vor sich hin, wie jemand, der ein Gespenst sieht. "Die Herrschaften kennen einand, wie ich bemerkc", sagte der Ungekdmmte, dem dies auffiel, in dem geschraubten Dialekt eines tschechischen Wieners und machte mir spcttisch eine halbe Verbeugung: "Erlaubens mich vorzustellen: Vussatka ist mein Name. Der schwarze Vussatka. - Brandstiftung", setzte er eine Oktave tiefer stolz hinzu. Der Frisierte spuckte zwischen den Zdhnen durch, blickte mich eine Weile verdchtlich an, deutete sich dann auf die Brust und sagte lakonisch: "Einbruch." Ich schwieg. "No, und zweng wos f'r einen Verdachtc sin Sie hier, Herr Graf?" fragte der Wiener nach einer Pause. Ich 'berlegte einen Moment, dann sagte ich ruhig: "Wegen Raubmord". Die beiden fuhren verbl'fft auf, der spcttische Ausdruck auf ihren Gesichtern machte einer Miene grenzenloser Hochachtung Platz, und sie riefen fast wie aus einem Munde: "Rdschpdkt, Rdschpdkt." Als sie sahen, daYA ich keine Notiz von ihnen nahm, zogen sie sich in die Ecke zur'ck und unterhielten sich fl'sternd miteinander. Nur einmal stand der Frisierte auf, kam zu mir, pr'fte schweigend die Muskeln meines Oberarms und ging dann kopfsch'ttelnd zu seinem Freund zur'ck. "Sie sind doch auch unter dem Verdacht hier, den Zottmann ermordet zu haben?" fragte ich Loisa unauffdllig. Er nickte. "Ja, schon lang." Wieder vergingen einige Stunden. Ich schloYA die Augen und stellte mich schlafend. "Herr Pernath. Herr Pernath!" hcrte ich plctzlich ganz leise Loisas Stimme. "Ja?" - - - Ich tat, als erwachte ich. "Herr Pernath?, bitte entschuldigen Sie, - bitte - bitte, wissen Sie nicht, was die Rosina macht? - Ist sie zu Hause?", stotterte der arme Bursche. Er tat mir unendlich leid, wie er mit seinen entz'ndeten Augen an meinen Lippen hing und vor Aufregung die Hdnde verkrampfte. "Es geht ihr gut. Sie - sie ist jetzt Kellnerin beim - - alten Ungelt", log ich. Ich sah, wie er erleichtert aufatmete. 0x01 graphic Zwei Strdflinge hatten auf einem Brett Blechtcpfe mit heiYAem Wurstabsud stumm hereingebracht und drei davon in die Zelle gestellt, dann knallten nach einigen Stunden abermals die Riegel und der Aufseher f'hrte mich zum Untersuchungsrichter. Mir schlotterten die Knie vor Erwartung, wie wir treppauf, treppab schritten. "Glauben Sie, ist es mcglich, daYA ich heute noch freigelassen werde?", fragte ich den Aufseher beklommen. Ich sah, wie er mitleidig ein Ldcheln unterdr'ckte. "Hm. Heute noch? Hm - - Gott, - mcglich ist ja alles." - Mir wurde eiskalt. Wieder las ich eine Porzellantafel an einer T'r und einen Namen: KARL FREIHERR VON LEISETRETER Untersuchungsrichter Wieder ein schmuckloses Zimmer und zwei Schreibpulte mit meterhohen Aufsdtzen. Ein alter, groYAer Mann mit weiYAem, geteiltem Vollbart, schwarzem Gehrock, roten, wulstigen Lippen, knarrenden Stiefeln. "Sie sind Herr Pernath?" "Jawohl." "Gemmenschneider?" "Jawohl." "Zelle Nr. 70?" "Jawohl." "Des Mordes an Zottmann verddchtig?" "Ich bitte, Herr Untersuchungsrichter - -" "Des Mordes an Zottmann verddchtig?" "Wahrscheinlich. Wenigstens vermute ich es. Aber - -" "Gestdndig?" "Was soll ich denn gestehen, Herr Untersuchungsrichter, ich bin doch unschuldig!" "Gestdndig?" "Nein." "Dann verhdnge ich Untersuchungshaft 'ber Sie. - F'hren Sie den Mann hinaus, Gefangenwdrter." "Bitte, so hcren Sie mich doch an, Herr Untersuchungsrichter, - ich muYA unbedingt heute noch zu Hause sein. Ich habe wichtige Dinge zu veranlassen - -" Hinter dem zweiten Schreibtisch meckerte jemand. Der Herr Baron schmunzelte. - "F'hren Sie den Mann hinaus, Gefangenwdrter." 0x01 graphic Tag um Tag schlich dahin, Woche um Woche, und immer noch saYA ich in der Zelle. Um zwclf Uhr durften wir tdglich hinunter in den Gefdngnishof und mit anderen Untersuchungsgefangenen und Strdflingen zu zweit 40 Minuten im Kreis herumgehen auf der nassen Erde. Miteinander zu reden, war verboten. In der Mitte des Platzes stand ein kahler, sterbender Baum, in dessen Rinde ein ovales Glasbild der Muttergottes eingewachsen war. An den Mauern wuchsen k'mmerliche Ligusterstauden, die Bldtter fast schwarz vom fallenden RuYA. Ringsum die Gitter der Zellen, aus denen zuweilen ein kittgraues Gesicht mit blutleeren Lippen herunterschaute. Dann ging's wieder hinauf in die gewohnten Gr'fte zu Brot, Wasser und Wurstabsud und sonntags zu faulenden Linsen. Erst einmal war ich wieder vernommen worden: Ob ich Zeugen hdtte, daYA mir "Herr" Wassertrum angeblich die Uhr geschenkt habe? "Ja: Herrn Schemajah Hillel - - das heiYAt - nein" (ich erinnerte mich, er war nicht dabei gewesen) - - "aber Herr Charousek" - (nein, auch er war ja nicht dabei). "Kurz: also niemand war dabei?" "Nein, niemand war dabei, Herr Untersuchungsrichter." Wieder das Gemecker hinter dem Schreibtisch und wieder das: "F'hren Sie den Mann hinaus, Gefangenwdrter!" - - - Meine Besorgnis um Angelina war einer dumpfen Resignation gewichen: Der Zeitpunkt, wo ich um sie zittern muYAte, war vor'ber. Entweder Wassertrums Racheplan war ldngst gegl'ckt, oder Charousek hatte eingegriffen, sagte ich mir. Aber die Sorge um Mirjam trieb mich jetzt fast zum Wahnsinn. Ich stellte mir vor, wie sie Stunde um Stunde darauf wartete, daYA sich das Wunder erneuere, - wie sie fr'h am Morgen, wenn der Bdcker kam, hinauslief und mit bebenden Hdnden das Brot untersuchte, - wie sie vielleicht um meinetwillen vor Angst verging. Oft in der Nacht peitschte es mich aus dem Schlaf, und ich stieg auf das Wandbrett und starrte empor zu dem kupfernen Gesicht der Turmuhr und verzehrte mich in dem Wunsch, meine Gedanken mcchten zu Hillel dringen und ihm ins Ohr schreien, er solle Mirjam helfen und sie erlcsen von der Qual des Hoffens auf ein Wunder. Dann wieder warf ich mich auf das Stroh und hielt den Atem an, bis mir die Brust fast zersprang, - um das Bild meines Doppelgdngers vor mich zu zwingen, damit ich ihn zu ihr schicken kcnnte als einen Trost. Und einmal war er auch erschienen neben meinem Lager mit den Buchstaben: Chabrat Zereh Aur Bocher in Spiegelschrift auf der Brust, und ich wollte aufschreien vor Jubel, daYA jetzt alles wieder gut w'rde, aber er war in den Boden versunken, noch ehe ich ihm den Befehl geben konnte, Mirjam zu erscheinen. - - - DaYA ich so gar keine Nachricht bekam von meinen Freunden! Ob es denn verboten sei, einem Briefe zu schicken? fragte ich meine Zellengenossen. Sie wuYAten es nicht. Sie hdtten noch nie welche bekommen - allerdings wdre auch niemand da, der ihnen schreiben kcnnte, sagten sie. Der Gefangenwdrter versprach mir, sich gelegentlich zu erkundigen. Meine Ndgel waren rissig geworden vom AbbeiYAen und mein Haar verwildert, denn Schere, Kamm und B'rste gab es nicht. Auch kein Wasser zum Waschen. Fast ununterbrochen kdmpfte ich mit Brechreiz, denn der Wurstabsud war mit Soda gew'rzt statt mit Salz. - - Eine Gefdngnisvorschrift, um dem "Xberhandnehmen des Geschlechtstriebs vorzubeugen." Die Zeit verging in grauer, furchtbarer Eintcnigkeit. Drehte sich wie im Kreis wie ein Rad der Qual. Da gab es die gewissen Momente, die jeder von uns kannte, wo plctzlich einer oder der andere aufsprang und stundenlang auf und nieder lief wie ein wildes Tier, um sich dann wieder gebrochen auf die Pritsche fallen zu lassen und stumpfsinnig weiter zu warten - zu warten - zu warten. Wenn der Abend kam, zogen die Wanzen in Scharen gleich Ameisen 'ber die Wdnde und ich fragte mich erstaunt, warum denn der Kerl in Sdbel und Unterhosen mich so gewissenhaft ausgeforscht habe, ob ich kein Ungeziefer hdtte. F'rchtete man vielleicht im Landesgericht, es kcnne eine Kreuzung fremder Insektenrassen entstehen? Mittwoch vormittags kam gewchnlich ein Schweinskopf herein mit Schlapphut und zuckenden Hosenbeinen: der Gefdngnisarzt Dr. Rosenblatt, und 'berzeugte sich, daYA alle vor Gesundheit strotzten. Und wenn einer sich beschwerte, gleichg'ltig wor'ber, so verschrieb er - Zinksalbe zum Einreiben der Brust. Einmal kam auch der Landgerichtsprdsident mit - ein hochgewachsener, parf'mierter Halunke der "guten Gesellschaft", dem die gemeinsten Laster im Gesicht geschrieben standen, und sah nach, ob - alles in Ordnung sei: "ob sich noch immer kaner derhenkt hobe", wie sich der Frisierte ausdr'ckte. Ich war auf ihn zugetreten, um ihm eine Bitte vorzutragen, da hatte er einen Satz hinter den Gefangenwdrter gemacht und mir einen Revolver vorgehalten. - "Was ich denn wolle", schrie er mich an. Ob Briefe f'r mich da seien, fragte ich hcflich. Statt der Antwort bekam ich einen StoYA vor die Brust vom Herrn Dr. Rosenblatt, der gleich darauf das Weite suchte. Auch der Herr Prdsident zog sich zur'ck und hchnte durch den T'rausschnitt: - ich solle lieber den Mord gestehen. Eher bekdme ich in diesem Leben keine Briefe. 0x01 graphic Ich hatte mich ldngst an die schlechte Luft und die Hitze gewchnt und frcstelte bestdndig. Selbst, wenn die Sonne schien. Zwei der Gefangenen hatten schon einige Male gewechselt, aber ich achtete nicht darauf. Diese Woche waren es ein Taschendieb und ein Wegelagerer, das ndchste Mal ein Falschm'nzer oder ein Hehler, die hereingef'hrt wurden. Was ich gestern erlebte, war heute vergessen. Gegen das W'hlen der Sorge um Mirjam verblaYAten alle duYAeren Begebenheiten. Nur ein Ereignis hatte sich mir tiefer eingeprdgt - es verfolgte mich zuweilen als Zerrbild bis in den Traum: Ich hatte auf dem Wandbrett gestanden, um hinauf in den Himmel zu starren, da f'hlte ich plctzlich, daYA mich ein spitzer Gegenstand in die H'fte stach, und als ich nachsah, bemerkte ich, daYA es die Feile gewesen war, die sich mir durch die Tasche zwischen Rock und Futter gebohrt hatte. Sie muYAte schon lange dort gesteckt haben, sonst hdtte sie der Mann in der Flurstube gewiYA bemerkt. Ich zog sie heraus und warf sie achtlos auf meinen Strohsack. Als ich dann herunterstieg, war sie verschwunden, und ich zweifelte keinen Augenblick, daYA nur Loisa sie genommen haben konnte. Einige Tage spdter holte man ihn aus der Zelle, um ihn einen Stock tiefer unterzubringen. Es d'rfe nicht sein, daYA zwei Untersuchungsgefangene, die desselben Verbrechens beschuldigt wdren, wie er und ich, in der gleichen Zelle sdYAen, hatte der Gefangenwdrter gesagt. Aus ganzem Herzen w'nschte ich, es mcchte dem armen Burschen gelingen, sich mit Hilfe der Feile zu befreien. Mai Auf meine Frage, welches Datum denn wdre - die Sonne schien so warm wie im Hochsommer und der m'de Baum im Hof trieb ein paar Knospen - hatte der Gefangenwdrter zuerst geschwiegen, dann aber mir zugefl'stert, es sei der 15. Mai. Eigentlich d'rfe er es nicht sagen, denn es sei verboten, mit den Gefangenen zu sprechen, - insbesondere solche, die noch nicht gestanden hdtten, m'YAten hinsichtlich der Zeit im unklaren gehalten werden. Drei volle Monate war ich also schon im Gefdngnis und noch immer keine Nachricht aus der Welt da drauYAen! 0x01 graphic Wenn es Abend wurde, drangen leise Kldnge eines Klaviers durch das Gitterfenster, das jetzt an warmen Tagen offen war. Die Tochter des BeschlieYAers unten spiele, hatte mir ein Strdfling gesagt. Tag und Nacht trdumte ich von Mirjam. Wie es ihr wohl ging?! Zuzeiten hatte ich das trcstliche Gef'hl, als seien meine Gedanken zu ihr gedrungen und st'nden an ihrem Bette, wdhrend sie schlief, und legten ihr lindernd die Hand auf die Stirne. Dann wieder, in Momenten der Hoffnungslosigkeit, wenn einer nach dem andern meiner Zellengenossen zum Verhcr gefuhrt wurde, - nur ich nicht, - drosselte mich eine dumpfe Furcht, sie sei vielleicht schon lange tot. Da stellte ich dann Fragen an das Schicksal, ob sie noch lebe oder nicht, krank sei oder gesund, und die Anzahl einer Handvoll Halme, die ich aus dem Strohsack riYA, sollte mir Antwort geben. Und fast jedesmal "ging es schlecht aus", und ich w'hlte in meinem Innern nach einem Blick in die Zukunft; - suchte meine Seele, die mir das Geheimnis verbarg, zu 'berlisten durch die scheinbar abseits liegende Frage, ob wohl f'r mich dereinst noch ein Tag kommen w'rde, wo ich heiter sein und wieder lachen kcnnte. Immer bejahte das Orakel in solchen Fdllen, und dann war ich eine Stunde lang gl'cklich und froh. Wie eine Pflanze heimlich wdchst und sproYAt, war allmdhlich in mir eine unbegreifliche, tiefe Liebe zu Mirjam erwacht, und ich faYAte es nicht, daYA ich so oft hatte bei ihr sitzen und mit ihr reden kcnnen, ohne mir damals schon klar dar'ber geworden zu sein. Der zitternde Wunsch, daYA auch sie mit gleichen Gef'hlen an mich denken mcchte, steigerte sich in solchen Augenblicken oft bis zur Ahnung der GewiYAheit, und wenn ich dann auf dem Gange drauYAen einen Schritt hcrte, f'rchtete ich mich beinahe davor, man kcnnte mich holen und freilassen und mein Traum w'rde in der groben Wirklichkeit der AuYAenwelt in nichts zerrinnen. Mein Ohr war in der langen Zeit der Haft so scharf geworden, daYA ich auch das leiseste Gerdusch vernahm. Jedesmal bei Anbruch der Nacht hcrte ich in der Ferne einen Wagen fahren und zergr'belte mir den Kopf, wer wohl dann sitzen mcchte. Es lag etwas seltsam Fremdartiges in dem Gedanken, daYA es Menschen gab da drauYAen, die tun und lassen durften, was sie wollten, - die sich frei bewegen konnten und da und dort hingehen, und es dennoch nicht als unbeschreiblichen Jubel empfanden. DaYA auch ich jemals wieder so gl'cklich werden w'rde, im Sonnenschein durch die StraYAen wandern zu kcnnen; - - ich war nicht mehr imstande, es mir vorzustellen. Der Tag, an dem ich Angelina in den Armen gehalten, schien mir einem ldngstverflossenen Dasein anzugehcren; - ich dachte daran zur'ck mit jener leisen Wehmut, wie sie einen beschleicht, wenn man ein Buch aufschldgt und findet dann welke Blumen, die einst die Geliebte der Jugendjahre getragen hat. Ob wohl der alte Zwakh noch immer Abend f'r Abend mit Vrieslander und Prokop beim "Ungelt" saYA und der vertrockneten Eulalia das Hirn konfus machte? Nein, es war doch Mai: - die Zeit, wo er mit seinem Marionettenkasten durch die Provinznester zog und auf gr'nen Wiesen vor den Toren den Ritter Blaubart spielte. 0x01 graphic Ich saYA allein in der Zelle. - Vussatka, der Brandstifter, mein einziger Gefdhrte seit einer Woche, war vor ein paar Stunden zum Untersuchungsrichter geholt worden. Merkw'rdig lange dauerte diesmal sein Verhcr. Da. Die eiserne Vorlegestange klirrte an der T'r. Und mit freudestrahlender Miene st'rmte Vussatka herein, warf ein B'ndel Kleider auf die Pritsche und begann, sich mit Windeseile umzukleiden. Den Strdflingsanzug warf er St'ck f'r St'ck mit einem Fluch auf den Boden. "Nix hamms mer beweisen kcnna, dc Hallodri. - Brandstiftung! - Ja doder -" er zog mit dem Zeigefinger an seinem unteren Augenlid. "Auf den schwarzen Vussatka sans jung. - Der Wind war's, hab i g'sagt. Und bi fest blimm. Den kennens iazt eispirrn, wanns'n derwischen - den Herrn von Wind. - No servus heit abend! - Do werd aufdraht. Beim Loisitschek." - Er breitete die Arme aus und tanzte einen "G'strampften". - "Nur einmahl im Lebchn blie-het der Mai." Er st'lpte sich mit einem Krach einen steifen Deckel mit einer kleinen blaugesprenkelten NuYAhdherfeder darauf 'ber den Schddel. - "Ja, richtig, das wird Ihna intrissirn, Herr Graf: wissens was Neies? Eana Freund, der Loisa, is ausbrochen! - Grad hab i's erfahrehn oben bei die Hallodri. Schon vurigen Monat - gegen Uldimoh hat er das Weide gesucht und ist ldngst ieber - pbhuit" - er schlug sich mit den Fingern auf den Handr'cken - "ieber alle Bergch." - "Aha, die Feile", dachte ich mir und ldchelte. "Alsdann haltens Ihna jetzt auch bald dazu, Herr Graf," der Brandstifter streckte mir kameradschaftlich die Hand hin, "daYA Sie mcglichst bei Zeitchn freikommen. - Und wenn Sie mal kein Geld nicht habehn, fragen Sie sich nur beim Loisitschek nach dem schwarzen Vussatka. - Kennte mich jedes Mddel durten. So! - Alsdann Servus, Herr Graf. War mir ein Vergniegen." Er stand noch in der T're, da schob der Wdrter schon einen neuen Untersuchungsgefangenen in die Zelle. Auf den ersten Blick erkannte ich in ihm den Schlot mit der Soldatenm'tze, der einmal neben mir bei Regenwetter in dem Torbogen der HahnpaYAgasse gestanden hatte. Eine freudige Xberraschung! Vielleicht wuYAte er zufdllig etwas 'ber Hillel und Zwakh und alle die andern? Ich wollte sofort anfangen, ihn auszufragen, aber zu meinem grcYAten Erstaunen legte er mit geheimnisvoller Miene den Finger an den Mund und bedeutete mir, ich solle schweigen. Erst als die T'r von auYAen abgesperrt und der Schritt des Gefangenwdrters auf dem Gange verhallt war, kam Leben in ihn. Mir schlug das Herz vor Aufregung. Was sollte das bedeuten? Kannte er mich denn, und was wollte er? Das erste, was der Schlot tat, war, daYA er sich niedersetzte und seinen linken Stiefel auszog. Dann zerrte er mit den Zdhnen einen Stcpsel aus dem Absatz, entnahm dem entstandenen Hohlraum ein kleines gebogenes Eisenblech, riYA die anscheinend nur locker befestigte Schuhsohle ab und reichte mir beides mit stolzer Miene hin. - Alles in Windeseile und ohne auf meine erregten Fragen auch nur im geringsten zu achten. "So! Einen schcnen GruYA vom Herrn Charousek." Ich war so verbl'fft, daYA ich kein Wort herausbringen konnte. - "Brauchens' bloYA Eisenblechl ndhmen und Sohlen ausanand brechen in der Nacht. Oder wann sunst niemand siecht. - Ise ndmlich hohl inewdndig" - erkldrte der Schlot mit 'berlegener Miene, "und finden Sie sich drinn eine Brieffel von Herrn Charousek." Im XbermaYA meines Entz'ckens fiel ich dem Schlot um den Hals, und die Trdnen st'rzten mir aus den Augen. Er wehrte mich voll Milde ab und sagte vorwurfsvoll: "Missen sich mehr zusammenndhmen, Herr von Pernath! Mir habens me nicht eine Minutten zum Zeitverlieren. Es kann sich soffort herauskommen, daYA ich in der falschen Zellen bin. Der Franzl und ich habens me unt beim Pordjch die Nummern mitsamm vertauscht." - Ich muYAte wohl ein sehr dummes Gesicht gemacht haben, denn der Schlot fuhr fort: "Wann Sie das auch nicht verstdhn, macht nix. Kurz: ich bin hier, Pasta!" "Sagen Sie doch," fiel ich ihm ins Wort, "sagen Sie doch, Herr - - Herr - - -" "Wenzel," - half mir der Schlot aus, "ich heiYAe der schcne Wenzel." "Sagen Sie mir doch, Wenzel, was macht der Archivar Hillel, und wie geht es seiner Tochter?" "Dazu ist jetz keine Zeit nicht", unterbrach mich der schcne Wenzel ungeduldig. "Ich kann ich doch im ndxen Augenblick herausgeschmissen werden. - Also: ich bin ich hier, weil ich einen Raubanfall extra eingestanden hab - -" "Was, Sie haben bloYA meinetwegen, und um zu mir kommen zu kcnnen, einen Raubanfall begangen, Wenzel?" fragte ich ersch'ttert. Der Schlot sch'ttelte verdchtlich den Kopf: "Wenn ich wirklich einen Raub anf all begangen hdtt, mecht ich ihm doch nicht eingestdhen. Was glauben Sie von mir!?" Ich verstand allmdhlich: - der brave Kerl hatte eine List gebraucht, um mir den Brief Charouseks ins Gefdngnis zu schmuggeln. "So; zuverderscht" - er machte ein duYAerst wichtiges Gesicht - "muYA ich Ihnen Unterricht in der Ebilebsie gdben." "Worin?" "In der Ebilebsie! - Gdbm S' amal scharf Obacht und merkens Ihna alles genau! - Alsdann schaugens hdr: Zuerscht macht me Speichel in der Goschen;" - er blies die Backen auf und bewegte sie hin und her, wie jemand, der sich den Mund aussp'lt - "dann kriegt me Schaum vorm Maul, sengen S' so": - er machte auch dies. Mit widerwdrtiger Nat'rlichkeit. "Nachhe drehte ma die Daumen in die Faust. - Nachhe kugelt me die Augen raus" - er schielte entsetzlich - "und dann - das ise sich bisl schwdr - stoYAt me so halbeten Schrei aus. Segen S', so: Bc - bc - bc, und gleichzeitig fallt me sich um." Er lieYA sich der Ldnge nach zu Boden fallen, daYA das Haus zitterte, und sagte beim Aufstehen: "Das ise sich die natierliche Ebilebsie, wie's uns der Dr. Hulbert gottsdlig beim ›Bataljohn‹ gelernt hat." "Ja, ja, es ist tduschend dhnlich," gab ich zu, "aber wozu dient das alles?" "Weil Sie sich zuerscht aus der Zellen rausmissen!", erkldrte der schcne Wenzel. "Der Dr. Rosenblatt is doch ein Mordsochs! Wenn einer schon gar kan Kopf mehr hat, sagt der Rosenblatt immer noch: der Mann ise sich pumperlgesund! - Nur vor die Ebilebsie hat e' an Viechsrdschpdkt. Wann aner daas gut kann: gleich ise drieben in der Krankenzelle. - - Und da ise sich das Ausbrechen dann ein Kinderspielzeug;" - er wurde tief geheimnisvoll - "den Fenstergitter in der Krankenzelle ise ndmlich durchgesdgt und nur schwach mit Dreck zusammengepappt. - Es ise sich das ein Geheimnis vom Bataljohn! - Sie brauchen dann bloYA ein paar Ndchte scharf aufpassen und, wenn Sie eine Seilschlingen vom Dach herunter bis vors Fenster kommen segen, heben Sie leise den Gitter aus, damit niemand nicht aufwacht, steckens die Schultern in die Schlinge, und mir ziegen Ihnen hinauf aufs Dach und lassen Ihnen auf der andern Seiten hinunter auf die StraYAen. - Pasta." "Weshalb soll ich denn aus dem Gefdngnis ausbrechen?" wandte ich sch'chtern ein, "ich bin doch unschuldig." "Das ise doch kein Grund, um nicht auszubrechen!", widerlegte mich der schcne Wenzel und machte vor Erstaunen kreisrunde Augen. Ich muYAte meine ganze Beredsamkeit aufbieten, um ihm den verwegenen Plan, der, wie er sagte, das Resultat eines "Bataillons" beschlusses war, auszureden. DaYA ich "die Gabe Gottes" von der Hand wies und lieber warten wollte, bis ich von selbst freikommen w'rde, war ihm unbegreiflich. "Jedenfalls danke ich Ihnen und Ihren braven Kameraden auf das allerherzlichste," sagte ich ger'hrt und dr'ckte ihm die Hand. "Wenn die schwere Zeit f'r mich vor'ber ist, wird es mein erstes sein, mich Ihnen allen erkenntlich zu zeigen." "Ise gar nicht ndtig", lehnte Wenzel freundlich ab. "Wann Sie ein paar Glas ›Pils‹ zahlen, ndhmen wir sich dankbar an, abe sunst nix. Pan Charousek, was ise jetz Schatzmistr vom Bataljohn hat e' uns schon erzdhlt, was Sie f'r ein heimlicher Wohltdter sin. Soll ich ihm was ausrichten, wenn ich in paar Tdg wieder herauskomm?" "Ja, bitte," fiel ich rasch ein, "sagen Sie ihm, er mcchte zu Hillel gehen und ihm mitteilen, ich hdtte soviel Angst wegen der Gesundheit seiner Tochter Mirjam. Herr Hillel solle sie nicht aus den Augen lassen. - Werden Sie sich den Namen merken?: Hillel!" "Hirrdl?" "Nein: Hillel." "Hilldr?" "Nein: Hill-el." Wenzel zerbrach sich fast die Zunge an dem f'r einen Tschechen unmcglichen Namen, aber schlieYAlich bewdltigte er ihn doch unter wilden Grimassen. "Und dann noch eins: Herr Charousek mcge - ich lasse ihn herzlich drum bitten - sich auch, soweit es in seiner Macht steht, der "vornehmen Dame" - er weiYA schon, wer darunter zu verstehen ist - annehmen." "Sie meinen sich wahrscheinlich die adlige Flietschen, die was da Gspusi ghabt hat mit dem Niemetz - dem Dr. Sapoli? - No, die hat sich doch scheiden lassen und ise mit dem Kind und dem Sapoli f'rt." "Wissen Sie das bestimmt?" Ich f'hlte meine Stimme zittern. So sehr ich mich um Angelinas willen freute, - es krampfte mir doch das Herz zusammen. Wieviel Sorge hatte ich ihretwegen getragen und jetzt - - - war ich vergessen. Vielleicht glaubte sie, ich sei wirklich ein Raubmcrder. Ein bitterer Geschmack stieg mir in die Kehle. Der Schlot schien mit dem Feingef'hl, das verwahrlosten Menschen seltsamerweise eigen ist bei allen Dingen, die sich um Liebe drehen, erraten zu haben, wie mir zumute war, denn er blickte scheu weg und antwortete nicht. "Wissen Sie vielleicht auch, wie es Herrn Hillels Tochter, dem Frdulein Mirjam geht? Kennen Sie sie?", fragte ich gepreYAt. "Mirjam? Mirjam?" - Wenzel legte sein Gesicht in nachdenkliche Falten - "Mirjam? - Gdht sich die cfters in der Nacht zum Loisitschek?" Ich muYAte unwillk'rlich ldcheln. "Nein. Ganz bestimmt nicht." "Dann kenn ich sie nicht", sagte Wenzel trocken. Wir schwiegen eine Weile. Vielleicht steht in dem Briefchen etwas 'ber sie, hoffte ich. "DaYA den Wassertrum der Deiwel g'holt hat", fing Wenzel plctzlich wieder an, "wdrden Sie sich wohl schon gehdrt haben?" Ich fuhr entsetzt auf. "No ja." - Wenzel deutete auf seine Kehle. - "Murxi, murxi! Ich sag ich Ihndn; es war Ihndn schaislich. Wie sie den Laden aufgebrochen haben, weil er sich paar Tdg nicht hat segen lassen, war ich natierlich der erschte drin; - wie denn nicht! - Und da hat e' durten g'sdssen, der Wassertrum, in einem dreckigen Ldhnsessel, die Brust voller Blut und die Augen wie aus Glas. - - - Wissen S', ich bin ich ein handfeste Kerl, aber mir hat sich alles gedrdht, sag ich Ihndn, und ich hab' gemeint, ich hau ich ohnmdchtig hi-iin. Furt' a furt' hab' ich mir vorsagen missen: Wenzel, hab' ich mir vorg'sagt, Wenzel, reg' dich nicht auf, es is doch bloYA ein toter Jud. - Er hat eine Feile in der Kehle stecken gehabt und im Laden war sich alles umedum geschmissen. - Ein Raubmord natierlich." "Die Feile! Die Feile!" Ich f'hlte, wie mir der Atem kalt wurde vor Grausen. Die Feile! So hatte sie also doch ihren Weg gefunden! "Ich weiYA ich auch, wer's war", fuhr Wenzel nach einer Pause halblaut fort. "Niemand anders, sag ich Ihndn, als der blattersteppige Loiso. - Ich hab' ich ndmlich sein Taschenmesser auf dem Boden im Laden entdeckt und rasch eing'stdckt, damit sich die Polizei nicht draufkommt. - Er ise sich durch einen unterirdischen Gang in den Laden - - -" er brach mit einem Ruck seine Rede ab und horchte ein paar Sekunden lang angestrengt, dann warf er sich auf die Pritsche und fing an, f'rchterlich zu schnarchen. Gleich darauf klirrte das VorhdngeschloYA und der Gefdngniswdrter kam herein und musterte mich argwchnisch. Ich machte ein teilnahmsloses Gesicht und Wenzel war kaum zu erwecken. Erst nach vielen P'ffen richtete er sich gdhnend auf und taumelte, gefolgt von dem Wdrter, schlaftrunken hinaus. 0x01 graphic Fiebernd vor Spannung faltete ich Charouseks Brief auseinander und las: Den 12. Mai. "Mein lieber armer Freund und Wohltdter!" Woche um Woche habe ich gewartet, daYA Sie endlich freikommen w'rden, - immer vergebens, - habe alle mcglichen Schritte versucht, um Entlastungsmaterial f'r Sie zu sammeln, aber ich fand keins. Ich bat den Untersuchungsrichter, das Verfahren zu beschleunigen, aber jedesmal hieYA es, er kcnne nichts tun - es sei Sache der Staatsanwaltschaft und nicht die seinige. Amtsschimmel! Eben erst, vor einer Stunde, gelang mir jedoch etwas, von dem ich mir den besten Erfolg erhoffe: ich habe erfahren, daYA Jaromir dem Wassertrum eine goldene Taschenuhr, die er nach der damaligen Verhaftung seines Bruders Loisa in dessen Bett gefunden hatte, verkauft hat. Beim ›Loisitschek‹, wo, wie Sie wissen, die Detektivs verkehren, geht das Ger'cht, man hdtte die Uhr des angeblich ermordeten Zottmann - dessen Leiche 'brigens noch immer nicht entdeckt ist - als corpus delicti bei Ihnen gefunden. Das 'brige reimte ich mir zusammen: Wassertrum et cetera! Ich habe mir Jaromir sofort vorgenommen, ihm 1000 fl gegeben - -" Ich lieYA den Brief sinken, und die Freudentrdnen traten mir in die Augen: nur Angelina konnte Charousek die Summe gegeben haben. Weder Zwakh, noch Prokop, noch Vrieslander besaYAen so viel Geld. Sie hatte mich also doch nicht vergessen! - Ich las weiter: "- 1000 fl gegeben und ihm weitere 2000 fl versprochen, wenn er mit mir sofort zur Polizei ginge und eingest'nde, die Uhr seinem Bruder zu Hause entwendet und verkauft zu haben. Das alles kann aber erst geschehen, wenn dieser Brief durch Wenzel bereits an Sie unterwegs ist. Die Zeit reicht nicht aus. Aber seien Sie versichert: es wird geschehen. Heute noch. Ich b'rge Ihnen daf'r. Ich zweifle keinen Augenblick, daYA Loisa den Mord begangen hat und die Uhr die Zottmanns ist. Sollte sie es wider Erwarten nicht sein, - nun, dann weiYA Jaromir, was er zu tun hat: - Jedenfalls wird er sie als die bei Ihnen gefundene agnoszieren. Also harren Sie aus und verzweifeln Sie nicht! Der Tag, wo Sie frei sein werden, steht vielleicht bald bevor. Ob trotzdem ein Tag kommen wird, wo wir uns wiedersehen? Ich weiYA es nicht. Fast mcchte ich sagen: ich glaube es nicht, denn mit mir geht's rasch zu Ende, und ich muYA auf der Hut sein, daYA mich die letzte Stunde nicht 'berrascht. Aber eins halten Sie fest: wir werden uns wiedersehen. Wenn auch nicht in diesem Leben und nicht wie die Toten in jenem Leben, aber an dem Tag, wo die Zeit zerbricht, - wo, wie es in der Bibel steht, der HERR die ausspeien wird aus seinem Munde, die lau waren und weder kalt noch warm. - - - Wundern Sie sich nicht, daYA ich so rede! Ich habe nie mit Ihnen 'ber diese Dinge gesprochen und, als Sie einmal das Wort ›Kabbala‹ ber'hrten, bin ich Ihnen ausgewichen, aber - ich weiYA, was ich weiYA. Vielleicht verstehen Sie, was ich meine, und wenn nicht, so streichen Sie, ich bitte Sie darum, das, was ich gesagt habe, aus Ihrem Geddchtnis. - - Einmal, in meinen Delirien, glaubte ich - ein Zeichen auf Ihrer Brust zu sehen. - Mag sein, daYA ich wach getrdumt habe. Nehmen Sie an, wenn Sie mich wirklich nicht verstehen sollten, daYA ich gewisse Erkenntnisse gehabt habe - innerlich! - fast schon von Kindheit an, die mich einen seltsamen Weg gef'hrt haben; - Erkenntnisse, die sich nicht decken mit dem, was die Medizin lehrt oder Gott sei Dank noch nicht weiYA; hoffentlich auch nie erfahren wird. Aber ich habe mich nicht dumm machen lassen von der Wissenschaft, deren hcchstes Ziel es ist, einen - ›Wartesaal‹ auszustaffieren, den man am besten niederrisse. Doch genug davon. Ich will Ihnen erzdhlen, was sich inzwischen zugetragen hat: Ende April war Wassertrum so weit, daYA meine Suggestion anfing zu wirken. Ich sah es daran, daYA er auf der Gasse bestdndig gestikulierte und laut mit sich selbst sprach. So etwas ist ein sicheres Zeichen, daYA die Gedanken eines Menschen sich zum Sturm rotten, um 'ber ihren Herrn herzufallen. Dann kaufte er sich ein Taschenbuch und machte sich Notizen. Er schrieb! Er schrieb! DaYA ich nicht lache! Er schrieb. Und dann ging er zu einem Notar. Unten vor dem Hause wuYAte ich, was er oben machte: - er machte sein Testament. DaYA er mich zum Erben einsetzte, habe ich mir allerdings nicht gedacht. Ich hdtte wahrscheinlich den Veitstanz bekommen vor Vergn'gen, wenn's mir eingefallen wdre. Er setzte mich zum Erben ein, weil ich der einzige auf der Erde bin, an dem er noch etwas gutmachen kcnnte, wie er glaubte. Das Gewissen hat ihn 'berlistet. Vielleicht war's auch die Hoffnung, ich w'rde ihn segnen, wenn ich mich nach seinem Tode durch seine Huld plctzlich als Milliondr sdhe, und dadurch den Fluch wettmachen, den er in Ihrem Zimmer aus meinem Mund hat mit anhcren m'ssen. Dreifach hat demnach meine Suggestion gewirkt. Rasend witzig, daYA er heimlich also doch an eine Wiedervergeltung im Jenseits geglaubt hat, wdhrend er sich's das ganze Leben lang m'hselig ausreden wollte. Aber so ist's bei allen den Ganzgescheiten; man sieht es schon an der wahnwitzigen Wut, in die sie geraten, wenn man's ihnen ins Gesicht sagt. Sie f'hlen sich ertappt. Von dem Moment an, wo Wassertrum vom Notar ka