Scheltet mir's nicht; es ist ein krc¤ftig Lied. Hab ich doch schon manchmal ein grocŸes Kind damit schlafen gewiegt. Mutter. Du hast doch nichts im Kopfe als deine Liebe. Vergc¤cŸest du nur nicht alles c¼ber das eine. Den Brackenburg solltest du in Ehren halten, sag ich dir. Er kann dich noch einmal glc¼cklich machen. Klc¤rchen. Er? Mutter. O ja! es kommt eine Zeit! - Ihr Kinder seht nichts voraus und c¼berhorcht unsre Erfahrungen. Die Jugend und die schc¶ne Liebe, alles hat sein Ende; und es kommt eine Zeit, wo man Gott dankt, wenn man irgendwo unterkriechen kann. Klc¤rchen (schaudert, schweigt und fc¤hrt auf). Mutter, lacŸt die Zeit kommen wie den Tod. Dran vorzudenken ist schreckhaft! - Und wenn er kommt! Wenn wir mc¼ssen - dann - wollen wir uns gebc¤rden, wie wir kc¶nnen - Egmont, ich dich entbehren! - (In Trc¤nen.) Nein, es ist nicht mc¶glich, nicht mc¶glich. Egmont (in einem Reitermantel, den Hut ins Gesicht gedrc¼ckt). Klc¤rchen! Klc¤rchen (tut einen Schrei, fc¤hrt zurc¼ck). Egmont! (Sie eilt auf ihn zu.) Egmont! (Sie umarmt ihn und ruht an ihm.) O du Guter, Lieber, Sc¼cŸer! Kommst du? bist du da! Egmont. Guten Abend, Mutter. Mutter. Gott grc¼cŸ' Euch, edler Herr! Meine Kleine ist fast vergangen, dacŸ Ihr so lang ausbleibt; sie hat wieder den ganzen Tag von Euch geredet und gesungen. Egmont. Ihr gebt mir doch ein Nachtessen? Mutter. Zu viel Gnade. Wenn wir nur etwas hc¤tten. Klc¤rchen. Freilich! Seid nur ruhig, Mutter; ich habe schon alles darauf eingerichtet, ich habe etwas zubereitet. Verratet mich nicht, Mutter. Mutter. Schmal genug. Klc¤rchen. Wartet nur! Und dann denk ich: wenn er bei mir ist, hab ich gar keinen Hunger; da sollte er auch keinen grocŸen Appetit haben, wenn ich bei ihm bin. Egmont. Meinst du? Klc¤rchen (stampft mit dem FucŸe und kehrt sich unwillig um). Egmont. Wie ist dir? Klc¤rchen. Wie seid Ihr heute so kalt! Ihr habt mir noch keinen KucŸ angeboten. Warum habt Ihr die Arme in den Mantel gewickelt wie ein Wochenkind? Ziemt keinem Soldaten noch Liebhaber, die Arme eingewickelt zu haben. Egmont. Zuzeiten, Liebchen, zuzeiten. Wenn der Soldat auf der Lauer steht und dem Feinde etwas ablisten mc¶chte, da nimmt er sich zusammen, facŸt sich selbst in seine Arme und kaut seinen Anschlag reif. Und ein Liebhaber - Mutter. Wollt Ihr Euch nicht setzen? es Euch nicht bequem machen? Ich mucŸ in die Kc¼che; Klc¤rchen denkt an nichts, wenn Ihr da seid. Ihr mc¼cŸt fc¼rliebnehmen. Egmont. Euer guter Wille ist die beste Wc¼rze. (Mutter ab.) Klc¤rchen. Und was wc¤re denn meine Liebe? Egmont. So viel du willst. Klc¤rchen. Vergleicht sie, wenn Ihr das Herz habt. Egmont. Zuvc¶rderst also. (Er wirft den Mantel ab und steht in einem prc¤chtigen Kleide da.) Klc¤rchen. O je! Egmont. Nun hab ich die Arme frei. (Er herzt sie.) Klc¤rchen. LacŸt! Ihr verderbt Euch. (Sie tritt zurc¼ck.) Wie prc¤chtig! Da darf ich Euch nicht anrc¼hren. Egmont. Bist du zufrieden? Ich versprach dir, einmal spanisch zu kommen. Klc¤rchen. Ich bat Euch zeither nicht mehr drum; ich dachte, Ihr wolltet nicht - Ach und das Goldne Vlies! Egmont. Da siehst du's nun. Klc¤rchen. Das hat dir der Kaiser umgehc¤ngt? Egmont. Ja, Kind! und Kette und Zeichen geben dem, der sie trc¤gt, die edelsten Freiheiten. Ich erkenne auf Erden keinen Richter c¼ber meine Handlungen als den GrocŸmeister des Ordens, mit dem versammelten Kapitel der Ritter. Klc¤rchen. O du dc¼rftest die ganze Welt c¼ber dich richten lassen. - Der Sammet ist gar zu herrlich, und die Passementarbeit! und das Gestickte! - Man weicŸ nicht, wo man anfangen soll. Egmont. Sieh dich nur satt. Klc¤rchen. Und das Goldne Vlies! Ihr erzc¤hltet mir die Geschichte und sagtet, es sei ein Zeichen alles GrocŸen und Kostbaren, was man mit Mc¼h und FleicŸ verdient und erwirbt. Es ist sehr kostbar - ich kann's deiner Liebe vergleichen. - Ich trage sie ebenso am Herzen - und hernach - Egmont. Was willst du sagen? Klc¤rchen. Hernach vergleicht sich's auch wieder nicht. Egmont. Wieso? Klc¤rchen. Ich habe sie nicht mit Mc¼h und FleicŸ erworben, nicht verdient. Egmont. In der Liebe ist es anders. Du verdienst sie, weil du dich nicht darum bewirbst - und die Leute erhalten sie auch meist allein, die nicht darnach jagen. Klc¤rchen. Hast du das von dir abgenommen? Hast du diese stolze Anmerkung c¼ber dich selbst gemacht? du, den alles Volk liebt? Egmont. Hc¤tt' ich nur etwas fc¼r sie getan! kc¶nnt' ich etwas fc¼r sie tun! Es ist ihr guter Wille, mich zu lieben. Klc¤rchen. Du warst gewicŸ heute bei der Regentin? Egmont. Ich war bei ihr. Klc¤rchen. Bist du gut mit ihr? Egmont. Es sieht einmal so aus. Wir sind einander freundlich und dienstlich. Klc¤rchen. Und im Herzen? Egmont. Will ich ihr wohl. Jedes hat seine eignen Absichten. Das tut nichts zur Sache. Sie ist eine treffliche Frau, kennt ihre Leute, und sc¤he tief genug, wenn sie auch nicht argwc¶hnisch wc¤re. Ich mache ihr viel zu schaffen, weil sie hinter meinem Betragen immer Geheimnisse sucht, und ich keine habe. Klc¤rchen. So gar keine? Egmont. Eh nun! einen kleinen Hinterhalt. Jeder Wein setzt Weinstein in den Fc¤ssern an mit der Zeit. Oranien ist doch noch eine bessere Unterhaltung fc¼r sie und eine immer neue Aufgabe. Er hat sich in den Kredit gesetzt, dacŸ er immer etwas Geheimes vorhabe: und nun sieht sie immer nach seiner Stirne, was er wohl denken, auf seine Schritte, wohin er sie wohl richten mc¶chte. Klc¤rchen. Verstellt sie sich? Egmont. Regentin, und du fragst? Klc¤rchen. Verzeiht, ich wollte fragen: ist sie falsch? Egmont. Nicht mehr und nicht weniger als jeder, der seine Absichten erreichen will. Klc¤rchen. Ich kc¶nnte mich in die Welt nicht finden. Sie hat aber auch einen mc¤nnlichen Geist, sie ist ein ander Weib als wir Nc¤hterinnen und Kc¶chinnen. Sie ist grocŸ, herzhaft, entschlossen. Egmont. Ja, wenn's nicht gar zu bunt geht. Diesmal ist sie doch ein wenig aus der Fassung. Klc¤rchen. Wieso? Egmont. Sie hat auch ein Bc¤rtchen auf der Oberlippe, und manchmal einen Anfall von Podagra. Eine rechte Amazone! Klc¤rchen. Eine majestc¤tische Frau! Ich scheute mich, vor sie zu treten. Egmont. Du bist doch sonst nicht zaghaft - Es wc¤re auch nicht Furcht, nur jungfrc¤uliche Scham. Klc¤rchen (schlc¤gt die Augen nieder, nimmt seine Hand und lehnt sich an ihn). Egmont. Ich verstehe dich! liebes Mc¤dchen! du darfst die Augen aufschlagen. (Er kc¼cŸt ihre Augen.) Klc¤rchen. LacŸ mich schweigen! LacŸ mich dich halten. LacŸ mich dir in die Augen sehen; alles drin finden, Trost und Hoffnung und Freude und Kummer. (Sie umarmt ihn und sieht ihn an.) Sag mir! Sage! ich begreife nicht! bist du Egmont? der Graf Egmont? der grocŸe Egmont, der so viel Aufsehn macht, von dem in den Zeitungen steht, an dem die Provinzen hc¤ngen? Egmont. Nein, Klc¤rchen, das bin ich nicht. Klc¤rchen. Wie? Egmont. Siehst du, Klc¤rchen! - LacŸ mich sitzen! (Er setzt sich, sie kniet vor ihn auf einen Schemel, legt ihr Arme auf seinen SchocŸ und sieht ihn an.) Jener Egmont ist ein verdriecŸlicher, steifer, kalter Egmont, der an sich halten, bald dieses bald jenes Gesicht machen mucŸ; geplagt, verkannt, verwickelt ist, wenn ihn die Leute fc¼r froh und frc¶hlich halten; geliebt von einem Volke, das nicht weicŸ, was es will; geehrt und in die Hc¶he getragen von einer Menge, mit der nichts anzufangen ist; umgeben von Freunden, denen er sich nicht c¼berlassen darf; beobachtet von Menschen, die ihm auf alle Weise beikommen mc¶chten; arbeitend und sich bemc¼hend, oft ohne Zweck meist ohne Lohn - O lacŸ mich schweigen, wie es dem ergeht, wie es dem zumute ist. Aber dieser, Klc¤rchen, der ist ruhig, offen, glc¼cklich, geliebt und gekannt von dem besten Herzen, das auch er ganz kennt und mit voller Liebe und Zutrauen an das seine drc¼ckt. (Er umarmt sie.) Das ist dein Egmont! Klc¤rchen. So lacŸ mich sterben! Die Welt hat keine Freuden auf diese! Vierter Aufzug StracŸe Jetter. Zimmermeister. Jetter. He! Pst! He, Nachbar, ein Wort! Zimmermeister. Geh deines Pfads und sei ruhig. Jetter. Nur ein Wort. Nichts Neues? Zimmermeister. Nichts, als dacŸ uns von Neuem zu reden verboten ist. Jetter. Wie? Zimmermeister. Tretet hier ans Haus an. Hc¼tet Euch! Der Herzog von Alba hat gleich bei seiner Ankunft einen Befehl ausgehen lassen, dadurch zwei oder drei, die auf der StracŸe zusammen sprechen, des Hochverrats ohne Untersuchung schuldig erklc¤rt sind. Jetter. O weh! Zimmermeister. Bei ewiger Gefangenschaft ist verboten, von Staatssachen zu reden. Jetter. O unsre Freiheit! Zimmermeister. Und bei Todesstrafe soll niemand die Handlungen der Regierung micŸbilligen. Jetter. O unsre Kc¶pfe! Zimmermeister. Und mit grocŸem Versprechen werden Vc¤ter, Mc¼tter, Kinder, Verwandte, Freunde, Dienstboten eingeladen, was in dem Innersten des Hauses vorgeht, bei dem besonders niedergesetzten Gerichte zu offenbaren. Jetter. Gehn wir nach Hause. Zimmermeister. Und den Folgsamen ist versprochen, dacŸ sie weder an Leibe, noch Ehre, noch Vermc¶gen einige Krc¤nkung erdulden sollen. Jetter. Wie gnc¤dig! War mir's doch gleich weh, wie der Herzog in die Stadt kam. Seit der Zeit ist mir's, als wc¤re der Himmel mit einem schwarzen Flor c¼berzogen und hinge so tief herunter, dacŸ man sich bc¼cken mc¼sse, um nicht dran zu stocŸen. Zimmermeister. Und wie haben dir seine Soldaten gefallen? Gelt! das ist eine andre Art von Krebsen, als wir sie sonst gewohnt waren. Jetter. Pfui! Es schnc¼rt einem das Herz ein, wenn man so einen Haufen die Gassen hinab marschieren sieht. Kerzengerad mit unverwandtem Blick, ein Tritt, soviel ihrer sind. Und wenn sie auf der Schildwache stehen und du gehst an einem vorbei, ist's, als wenn er dich durch und durch sehen wollte, und sieht so steif und mc¼rrisch aus, dacŸ du auf allen Ecken einen Zuchtmeister zu sehen glaubst. Sie tun mir gar nicht wohl. Unsre Miliz war doch noch ein lustig Volk; sie nahmen sich was heraus, standen mit ausgegrc¤tschten Beinen da, hatten den Hut c¼berm Ohr, lebten und liecŸen leben; diese Kerle aber sind wie Maschinen, in denen ein Teufel sitzt. Zimmermeister. Wenn so einer ruft. b»Halt!b« und anschlc¤gt, meinst du, man hielte? Jetter. Ich wc¤re gleich des Todes. Zimmermeister. Gehn wir nach Hause. Jetter. Es wird nicht gut. Adieu. (Soest tritt dazu.) Soest. Freunde! Genossen! Zimmermeister. Still! LacŸt uns gehen. Soest. WicŸt ihr? Jetter. Nur zu viel! Soest. Die Regentin ist weg. Jetter. Nun gnad' uns Gott! Zimmermeister. Die hielt uns noch. Soest. Auf einmal und in der Stille. Sie konnte sich mit dem Herzog nicht vertragen; sie liecŸ dem Adel melden, sie komme wieder. Niemand glaubt's. Zimmermeister. Gott verzeih's dem Adel, dacŸ er uns diese neue GeicŸel c¼ber den Hals gelassen hat. Sie hc¤tten es abwenden kc¶nnen. Unsre Privilegien sind hin. Jetter. Um Gottes willen nichts von Privilegien! Ich wittre den Geruch von einem Exekutionsmorgen; die Sonne will nicht hervor, die Nebel stinken. Soest. Oranien ist auch weg. Zimmermeister. So sind wir denn ganz verlassen! Soest. Graf Egmont ist noch da. Jetter. Gott sei Dank! Stc¤rken ihn alle Heiligen, dacŸ er sein Bestes tut; der ist allein was vermc¶gend. (Vansen tritt auf.) Vansen. Find ich endlich ein paar, die noch nicht untergekrochen sind? Jetter. Tut uns den Gefallen und geht fc¼rbacŸ. Vansen. Ihr seid nicht hc¶flich. Zimmermeister. Es ist gar keine Zeit zu Komplimenten. Juckt Euch der Buckel wieder? Seid Ihr schon durchgeheilt? Vansen. Fragt einen Soldaten nach seinen Wunden! Wenn ich auf Schlc¤ge was gegeben hc¤tte, wc¤re sein Tage nichts aus mir geworden. Jetter. Es kann ernstlicher werden. Vansen. Ihr spc¼rt von dem Gewitter, das aufsteigt, eine erbc¤rmliche Mattigkeit in den Gliedern, scheint's. Zimmermeister. Deine Glieder werden sich bald woanders eine Motion machen, wenn du nicht ruhst. Vansen. Armselige Mc¤use, die gleich verzweifeln, wenn der Hausherr eine neue Katze anschafft! Nur ein bicŸchen anders; aber wir treiben unser Wesen vor wie nach, seid nur ruhig. Zimmermeister. Du bist ein verwegener Taugenichts. Vansen. Gevatter Tropf! LacŸ du den Herzog nur gewc¤hren. Der alte Kater sieht aus, als wenn er Teufel statt Mc¤use gefressen hc¤tte und kc¶nnte sie nun nicht verdauen. LacŸt ihn nur erst; er mucŸ auch essen, trinken, schlafen wie andere Menschen. Es ist mir nicht bange, wenn wir unsere Zeit recht nehmen. Im Anfange geht's rasch; nachher wird er auch finden, dacŸ in der Speisekammer unter den Speckseiten besser leben ist und des Nachts zu ruhen, als auf dem Fruchtboden einzelne Mc¤uschen zu erlisten. Geht nur, ich kenne die Statthalter. Zimmermeister. Was so einem Menschen alles durchgeht! Wenn ich in meinem Leben so etwas gesagt hc¤tte, hielt' ich mich keine Minute fc¼r sicher. Vansen. Seid nur ruhig! Gott im Himmel erfc¤hrt nichts von euch Wc¼rmern, geschweige der Regent. Jetter. Lc¤stermaul! Vansen. Ich weicŸ andere, denen es besser wc¤re, sie hc¤tten statt ihres Heldenmuts eine Schneiderader im Leibe. Zimmermeister. Was wollt Ihr damit sagen? Vansen. Hm! den Grafen mein ich. Jetter. Egmont! Was soll der fc¼rchten? Vansen. Ich bin ein armer Teufel und kc¶nnte ein ganzes Jahr leben von dem, was er in einem Abende verliert. Und doch kc¶nnt' er mir sein Einkommen eines ganzen Jahres geben, wenn er meinen Kopf auf eine Viertelstunde hc¤tte. Jetter. Du denkst dich was Rechts. Egmonts Haare sind gescheiter als dein Hirn. Vansen. Redt Ihr! Aber nicht feiner. Die Herren betriegen sich am ersten. Er sollte nicht trauen. Jetter. Was er schwc¤tzt! So ein Herr! Vansen. Eben weil er kein Schneider ist. Jetter. Ungewaschen Maul! Vansen. Dem wollt' ich Eure Courage nur eine Stunde in die Glieder wc¼nschen, dacŸ sie ihm da Unruh machte und ihn so lange neckte und juckte, bis er aus der Stadt mc¼cŸte. Jetter. Ihr redet recht unverstc¤ndig; er ist so sicher wie der Stern am Himmel. Vansen. Hast du nie einen sich schneuzen gesehn? Weg war er! Zimmermeister. Wer will ihm denn was tun? Vansen. Wer will? Willst du's etwa hindern? Willst du einen Aufruhr erregen, wenn sie ihn gefangennehmen? Jetter. Ah! Vansen. Wollt ihr eure Rippen fc¼r ihn wagen? Soest. Eh! Vansen (sie nachc¤ffend). Ih! Oh! Uh! Verwundert euch durchs ganze Alphabet. So ist's und bleibt's! Gott bewahre ihn! Jetter. Ich erschrecke c¼ber Eure Unverschc¤mtheit. So ein edler, rechtschaffener Mann sollte was zu befc¼rchten haben? Vansen. Der Schelm sitzt c¼berall im Vorteil. Auf dem Armensc¼nderstc¼hlchen hat er den Richter zum Narren; auf dem Richterstuhl macht er den Inquisiten mit Lust zum Verbrecher. Ich habe so ein Protokoll abzuschreiben gehabt, wo der Kommissarius schwer Lob und Geld vom Hofe erhielt, weil er einen ehrlichen Teufel, an den man wollte, zum Schelmen verhc¶rt hatte. Zimmermeister. Das ist wieder frisch gelogen. Was wollen sie denn heraus verhc¶ren, wenn einer unschuldig ist? Vansen. O Spatzenkopf! Wo nichts herauszuverhc¶ren ist, da verhc¶rt man hinein. Ehrlichkeit macht unbesonnen, auch wohl trotzig. Da fragt man erst recht sachte weg, und der Gefangne ist stolz auf seine Unschuld, wie sie's heicŸen, und sagt alles geradezu, was ein Verstc¤ndiger verbc¤rge. Dann macht der Inquisitor aus den Antworten wieder Fragen und pacŸt ja auf, wo irgendein Widersprc¼chelchen erscheinen will; da knc¼pft er seinen Strick an, und lc¤cŸt sich der dumme Teufel betreten, dacŸ er hier etwas zu viel, dort etwas zu wenig gesagt oder wohl gar aus Gott weicŸ was fc¼r einer Grille einen Umstand verschwiegen hat, auch wohl irgend an einem Ende sich hat schrecken lassen: dann sind wir auf dem rechten Weg! Und ich versichre euch, mit mehr Sorgfalt suchen die Bettelweiber nicht die Lumpen aus dem Kehricht, als so ein Schelmenfabrikant aus kleinen, schiefen, verschobenen, verrc¼ckten, verdrc¼ckten, geschlossenen, bekannten, geleugneten Anzeigen und Umstc¤nden sich endlich einen strohlumpenen Vogelscheu zusammenkc¼nstelt, um wenigstens seinen Inquisiten in effigie hc¤ngen zu kc¶nnen. Und Gott mag der arme Teufel danken, wenn er sich noch kann hc¤ngen sehen. Jetter. Der hat eine gelc¤ufige Zunge. Zimmermeister. Mit Fliegen mag das angehen. Die Wespen lachen Eures Gespinstes. Vansen. Nachdem die Spinnen sind. Seht, der lange Herzog hat euch so ein rein Ansehn von einer Kreuzspinne, nicht einer dickbc¤uchigen, die sind weniger schlimm, aber so einer langfc¼cŸigen, schmalleibigen, die vom FracŸe nicht feist wird und recht dc¼nne Fc¤den zieht, aber desto zc¤here. Jetter. Egmont ist Ritter des Goldnen Vlieses; wer darf Hand an ihn legen? Nur von seinesgleichen kann er gerichtet werden, nur vom gesamten Orden. Dein loses Maul, dein bc¶ses Gewissen verfc¼hren dich zu solchem Geschwc¤tz. Vansen. Will ich ihm darum c¼bel? Mir kann's recht sein. Es ist ein trefflicher Herr. Ein paar meiner guten Freunde, die anderwc¤rts schon wc¤ren gehangen worden, hat er mit einem Buckel voll Schlc¤ge verabschiedet. Nun geht! Geht! Ich rat es euch selbst. Dort seh ich wieder eine Runde antreten; die sehen nicht aus, als wenn sie so bald Brc¼derschaft mit uns trinken wc¼rden. Wir wollen's abwarten und nur sachte zusehen. Ich hab ein paar Nichten und einen Gevatter Schenkwirt; wenn sie von denen gekostet haben und werden dann nicht zahm, so sind sie ausgepichte Wc¶lfe. Der Culenburgische Palast Wohnung des Herzogs von Alba Silva und Gomez begegnen einander. Silva. Hast du die Befehle des Herzogs ausgerichtet? Gomez. Pc¼nktlich. Alle tc¤gliche Runden sind beordert, zur bestimmten Zeit an verschiedenen Plc¤tzen einzutreffen, die ich ihnen bezeichnet habe; sie gehen indes, wie gewc¶hnlich, durch die Stadt, um Ordnung zu erhalten. Keiner weicŸ von dem andern; jeder glaubt, der Befehl gehe ihn allein an, und in einem Augenblick kann alsdann der Kordon gezogen und alle Zugc¤nge zum Palast kc¶nnen besetzt sein. WeicŸt du die Ursache dieses Befehls? Silva. Ich bin gewohnt, blindlings zu gehorchen. Und wem gehorcht sich's leichter als dem Herzoge, da bald der Ausgang beweist, dacŸ er recht befohlen hat? Gomez. Gut! Gut! Auch scheint es mir kein Wunder, dacŸ du so verschlossen und einsilbig wirst wie er, da du immer um ihn sein mucŸt. Mir kommt es fremd vor, da ich den leichteren italienischen Dienst gewohnt bin. An Treue und Gehorsam bin ich der alte; aber ich habe mir das Schwc¤tzen und Rc¤sonieren angewc¶hnt. Ihr schweigt alle und lacŸt es euch nie wohl sein. Der Herzog gleicht mir einem ehrnen Turm ohne Pforte, wozu die Besatzung Flc¼gel hc¤tte. Neulich hc¶rt' ich ihn bei Tafel von einem frohen freundlichen Menschen sagen: er sei wie eine schlechte Schenke mit einem ausgesteckten Branntweinzeichen, um Mc¼cŸiggc¤nger, Bettler und Diebe hereinzulocken. Silva. Und hat er uns nicht schweigend hierhergefc¼hrt? Gomez. Dagegen ist nichts zu sagen. GewicŸ! Wer Zeuge seiner Klugheit war, wie er die Armee aus Italien hierher brachte, der hat etwas gesehen. Wie er sich durch Freund und Feind, durch die Franzosen, Kc¶niglichen und Ketzer, durch die Schweizer und Verbundnen gleichsam durchschmiegte, die strengste Mannszucht hielt und einen Zug, den man so gefc¤hrlich achtete, leicht und ohne AnstocŸ zu leiten wucŸte! - Wir haben was gesehen, was lernen kc¶nnen. Silva. Auch hier! Ist nicht alles still und ruhig, als wenn kein Aufstand gewesen wc¤re? Gomez. Nun, es war auch schon meist still, als wir her kamen. Silva. In den Provinzen ist es viel ruhiger geworden; und wenn sich noch einer bewegt, so ist es, um zu entfliehen. Aber auch diesen wird er die Wege bald versperren, denk ich. Gomez. Nun wird er erst die Gunst des Kc¶nigs gewinnen. Silva. Und uns bleibt nichts angelegener, als uns die seinige zu erhalten. Wenn der Kc¶nig hieherkommt, bleibt gewicŸ der Herzog und jeder, den er empfiehlt, nicht unbelohnt. Gomez. Glaubst du, dacŸ der Kc¶nig kommt? Silva. Es werden so viele Anstalten gemacht, dacŸ es hc¶chst wahrscheinlich ist. Gomez. Mich c¼berreden sie nicht. Silva. So rede wenigstens nicht davon. Denn wenn des Kc¶nigs Absicht ja nicht sein sollte zu kommen, so ist sie's doch wenigstens gewicŸ, dacŸ man es glauben soll. (Ferdinand, Albas natc¼rlicher Sohn.) Ferdinand. Ist mein Vater noch nicht heraus? Silva. Wir warten auf ihn. Ferdinand. Die Fc¼rsten werden bald hier sein. Gomez. Kommen sie heute? Ferdinand. Oranien und Egmont. Gomez (leise zu Silva). Ich begreife etwas. Silva. So behalt es fc¼r dich. (Herzog von Alba. - Wie er herein- und hervortritt, treten die andern zurc¼ck.) Alba. Gomez. Gomez (tritt vor). Herr! Alba. Du hast die Wachen verteilt und beordert? Gomez. Aufs genaueste. Die tc¤glichen Runden - Alba. Genug. Du wartest in der Galerie. Silva wird dir den Augenblick sagen, wenn du sie zusammenziehen, die Zugc¤nge nach dem Palast besetzen sollst. Das c¼brige weicŸt du. Gomez. Ja, Herr! (Ab.) Alba. Silva! Silva. Hier bin ich. Alba. Alles, was ich von jeher an dir geschc¤tzt habe, Mut, Entschlossenheit, unaufhaltsames Ausfc¼hren, das zeige heut. Silva. Ich danke Euch, dacŸ Ihr mir Gelegenheit gebt zu zeigen, dacŸ ich der alte bin. Alba. Sobald die Fc¼rsten bei mir eingetreten sind, dann eile gleich, Egmonts Geheimschreiber gefangenzunehmen. Du hast alle Anstalten gemacht, die c¼brigen, welche bezeichnet sind, zu fahen? Silva. Vertraue auf uns. Ihr Schicksal wird sie, wie eine wohlberechnete Sonnenfinsternis, pc¼nktlich und schrecklich treffen. Alba. Hast du sie genau beobachten lassen? Silva. Alle; den Egmont vor andern. Er ist der einzige, der, seit du hier bist, sein Betragen nicht gec¤ndert hat. Den ganzen Tag von einem Pferd aufs andere, ladet Gc¤ste, ist immer lustig und unterhaltend bei Tafel, wc¼rfelt, schiecŸt und schleicht nachts zum Liebchen. Die andern haben dagegen eine merkliche Pause in ihrer Lebensart gemacht; sie bleiben bei sich; vor ihrer Tc¼re sieht's aus, als wenn ein Kranker im Hause wc¤re. Alba. Drum rasch! eh sie uns wider Willen genesen. Silva. Ich stelle sie. Auf deinen Befehl c¼berhc¤ufen wir sie mit dienstfertigen Ehren. Ihnen graut's; politisch geben sie uns einen c¤ngstlichen Dank, fc¼hlen, das Rc¤tlichste sei, zu entfliehen, keiner wagt einen Schritt, sie zaudern, kc¶nnen sich nicht vereinigen; und einzeln etwas Kc¼hnes zu tun, hc¤lt sie der Gemeingeist ab. Sie mc¶chten gern sich jedem Verdacht entziehen und machen sich immer verdc¤chtiger. Schon seh ich mit Freuden deinen ganzen Anschlag ausgefc¼hrt. Alba. Ich freue mich nur c¼ber das Geschehene; und auch c¼ber das nicht leicht; denn es bleibt stets noch c¼brig, was uns zu denken und zu sorgen gibt. Das Glc¼ck ist eigensinnig, oft das Gemeine, das Nichtswc¼rdige zu adeln und wohlc¼berlegte Taten mit einem gemeinen Ausgang zu entehren. Verweile, bis die Fc¼rsten kommen; dann gib Gomez die Ordre, die StracŸen zu besetzen, und eile selbst, Egmonts Schreiber und die c¼brigen gefangenzunehmen, die dir bezeichnet sind. Ist es getan, so komm hierher und meld es meinem Sohne, dacŸ er mir in den Rat die Nachricht bringe. Silva. Ich hoffe, diesen Abend vor dir stehn zu dc¼rfen. (Alba geht nach seinem Sohne, der bisher in der Galerie gestanden.) Silva. Ich traue mir es nicht zu sagen; aber meine Hoffnung schwankt. Ich fc¼rchte, es wird nicht werden, wie er denkt. Ich sehe Geister vor mir, die still und sinnend auf schwarzen Schalen das Geschick der Fc¼rsten und vieler Tausende wc¤gen. Langsam wankt das Zc¼nglein auf und ab; tief scheinen die Richter zu sinnen; zuletzt sinkt diese Schale, steigt jene, angehaucht vom Eigensinn des Schicksals, und entschieden ist's. (Ab.) (Alba mit Ferdinand hervortretend.) Alba. Wie fandst du die Stadt? Ferdinand. Es hat sich alles gegeben. Ich ritt, als wie zum Zeitvertreib, stracŸauf, stracŸab. Eure wohlverteilten Wachen halten die Furcht so angespannt, dacŸ sie sich nicht zu lispeln untersteht. Die Stadt sieht einem Felde c¤hnlich, wenn das Gewitter von weitem leuchtet; man erblickt keinen Vogel, kein Tier, als das eilend nach einem Schutzorte schlc¼pft. Alba. Ist dir nichts weiter begegnet? Ferdinand. Egmont kam mit einigen auf den Markt geritten; wir grc¼cŸten uns; er hatte ein rohes Pferd, das ich ihm loben mucŸte. b»LacŸt uns eilen, Pferde zuzureiten, wir werden sie bald brauchen!b« rief er mir entgegen. Er werde mich noch heute wiedersehn, sagte er, und komme, auf Euer Verlangen, mit Euch zu ratschlagen. Alba. Er wird dich wiedersehn. Ferdinand. Unter allen Rittern, die ich hier kenne, gefc¤llt er mir am besten. Es scheint, wir werden Freunde sein. Alba. Du bist noch immer zu schnell und wenig behutsam; immer erkenn ich in dir den Leichtsinn deiner Mutter, der mir sie unbedingt in die Arme lieferte. Zu mancher gefc¤hrlichen Verbindung lud dich der Anschein voreilig ein. Ferdinand. Euer Wille findet mich bildsam. Alba. Ich vergebe deinem jungen Blute dies leichtsinnige Wohlwollen, diese unachtsame Frc¶hlichkeit. Nur vergicŸ nicht, zu welchem Werke ich gesandt bin, und welchen Teil ich dir dran geben mc¶chte. Ferdinand. Erinnert mich, und schont mich nicht, wo Ihr es nc¶tig haltet. Alba (nach einer Pause). Mein Sohn! Ferdinand. Mein Vater! Alba. Die Fc¼rsten kommen bald, Oranien und Egmont kommen. Es ist nicht MicŸtrauen, dacŸ ich dir erst jetzt entdecke, was geschehen soll. Sie werden nicht wieder von hinnen gehn. Ferdinand. Was sinnst du? Alba. Es ist beschlossen, sie festzuhalten. - Du erstaunst! Was du zu tun hast, hc¶re; die Ursachen sollst du wissen, wenn es geschehn ist. Jetzt bleibt keine Zeit, sie auszulegen. Mit dir allein wc¼nscht' ich das Grc¶cŸte, das Geheimste zu besprechen; ein starkes Band hc¤lt uns zusammengefesselt; du bist mir wert und lieb; auf dich mc¶cht' ich alles hc¤ufen. Nicht die Gewohnheit zu gehorchen allein mc¶cht' ich dir einprc¤gen; auch den Sinn, auszudenken, zu befehlen, auszufc¼hren, wc¼nscht' ich in dir fortzupflanzen; dir ein grocŸes Erbteil, dem Kc¶nige den brauchbarsten Diener zu hinterlassen; dich mit dem Besten, was ich habe, auszustatten, dacŸ du dich nicht schc¤men dc¼rfest, unter deine Brc¼der zu treten. Ferdinand. Was werd ich dir nicht fc¼r diese Liebe schuldig, die du mir allein zuwendest, indem ein ganzes Reich vor dir zittert! Alba. Nun hc¶re, was zu tun ist. Sobald die Fc¼rsten eingetreten sind, wird jeder Zugang zum Palaste besetzt. Dazu hat Gomez die Ordre. Silva wird eilen, Egmonts Schreiber mit den Verdc¤chtigsten gefangenzunehmen. Du hc¤ltst die Wache am Tore und in den Hc¶fen in Ordnung. Vor allen Dingen besetze diese Zimmer hier neben mit den sichersten Leuten; dann warte auf der Galerie, bis Silva wiederkommt, und bringe mir irgendein unbedeutend Blatt herein, zum Zeichen, dacŸ sein Auftrag ausgerichtet ist. Dann bleib im Vorsaale, bis Oranien weggeht; folg ihm; ich halte Egmont hier, als ob ich ihm noch was zu sagen hc¤tte. Am Ende der Galerie fordre Oraniens Degen, rufe die Wache an, verwahre schnell den gefc¤hrlichsten Mann; und ich fasse Egmont hier. Ferdinand. Ich gehorche, mein Vater. Zum erstenmal mit schwerem Herzen und mit Sorge. Alba. Ich verzeihe dir's; es ist der erste grocŸe Tag, den du erlebst. (Silva tritt herein.) Silva. Ein Bote von Antwerpen. Hier ist Oraniens Brief! Er kommt nicht. Alba. Sagt' es der Bote? Silva. Nein, mir sagt's das Herz. Alba. Aus dir spricht mein bc¶ser Genius. (Nachdem er den Brief gelesen, winkt er beiden, und sie ziehen sich in die Galerie zurc¼ck. Er bleibt allein auf dem Vorderteile.) Er kommt nicht! Bis auf den letzten Augenblick verschiebt er, sich zu erklc¤ren. Er wagt es, nicht zu kommen! So war denn diesmal wider Vermuten der Kluge klug genug, nicht klug zu sein! - Es rc¼ckt die Uhr! Noch einen kleinen Weg des Seigers, und ein grocŸes Werk ist getan oder versc¤umt, unwiederbringlich versc¤umt; denn es ist weder nachzuholen, noch zu verheimlichen. Lc¤ngst hatt' ich alles reiflich abgewogen, und mir auch diesen Fall gedacht, mir festgesetzt, was auch in diesem Falle zu tun sei; und jetzt, da es zu tun ist, wehr ich mir kaum, dacŸ nicht das Fc¼r und Wider mir aufs neue durch die Seele schwankt. - Ist's rc¤tlich, die andern zu fangen, wenn er mir entgeht? Schieb ich es auf und lacŸ Egmont mit den Seinigen, mit so vielen entschlc¼pfen, die nun, vielleicht nur heute noch, in meinen Hc¤nden sind? So zwingt dich das Geschick denn auch, du Unbezwinglicher? Wie lang gedacht! Wie wohl bereitet! Wie grocŸ, wie schc¶n der Plan! Wie nah die Hoffnung ihrem Ziele! und nun im Augenblick des Entscheidens bist du zwischen zwei cœbel gestellt; wie in einen Lostopf greifst du in die dunkle Zukunft; was du fassest, ist noch zugerollt, dir unbewucŸt, sei's Treffer oder Fehler! (Er wird aufmerksam, wie einer, der etwas hc¶rt, und tritt ans Fenster.) Er ist es! Egmont! - Trug dich dein Pferd so leicht herein und scheute vor dem Blutgeruche nicht und vor dem Geiste mit dem blanken Schwert, der an der Pforte dich empfc¤ngt? - Steig ab! - So bist du mit dem einen FucŸ im Grab! und so mit beiden! - ja streichl' es nur und klopfe fc¼r seinen mutigen Dienst zum letztenmale den Nacken ihm - Und mir bleibt keine Wahl. In der Verblendung, wie hier Egmont naht, kann er dir nicht zum zweitenmal sich liefern! - Hc¶rt! (Ferdinand und Silva treten eilig herbei.) Alba. Ihr tut, was ich befahl; ich c¤ndre meinen Willen nicht. Ich halte, wie es gehn will, Egmont auf, bis du mir von Silva die Nachricht gebracht hast. Dann bleib in der Nc¤he. Auch dir raubt das Geschick das grocŸe Verdienst, des Kc¶nigs grc¶cŸten Feind mit eigener Hand gefangen zu haben. (Zu Silva.) Eile! (Zu Ferdinand.) Geh ihm entgegen. (Alba bleibt einige Augenblicke allein und geht schweigend auf und ab.) (Egmont tritt auf.) Egmont. Ich komme, die Befehle des Kc¶nigs zu vernehmen, zu hc¶ren, welchen Dienst er von unserer Treue verlangt, die ihm ewig ergeben bleibt. Alba. Er wc¼nscht vor allen Dingen Euern Rat zu hc¶ren. Egmont. cœber welchen Gegenstand? Kommt Oranien auch? Ich vermutete ihn hier. Alba. Mir tut es leid, dacŸ er uns eben in dieser wichtigen Stunde fehlt. Euern Rat, Eure Meinung wc¼nscht der Kc¶nig, wie diese Staaten wieder zu befriedigen. Ja, er hofft, Ihr werdet krc¤ftig mitwirken, diese Unruhen zu stillen und die Ordnung der Provinzen vc¶llig und dauerhaft zu grc¼nden. Egmont. Ihr kc¶nnt besser wissen als ich, dacŸ schon alles genug beruhigt ist, ja, noch mehr beruhigt war, eh die Erscheinung der neuen Soldaten wieder mit Furcht und Sorge die Gemc¼ter bewegte. Alba. Ihr scheint andeuten zu wollen, das Rc¤tlichste sei gewesen, wenn der Kc¶nig mich gar nicht in den Fall gesetzt hc¤tte, Euch zu fragen. Egmont. Verzeiht! Ob der Kc¶nig das Heer hc¤tte schicken sollen, ob nicht vielmehr die Macht seiner majestc¤tischen Gegenwart allein stc¤rker gewirkt hc¤tte, ist meine Sache nicht zu beurteilen. Das Heer ist da, er nicht. Wir aber mc¼cŸten sehr undankbar, sehr vergessen sein, wenn wir uns nicht erinnerten, was wir der Regentin schuldig sind. Bekennen wir! Sie brachte durch ihr so kluges als tapferes Betragen die Aufrc¼hrer mit Gewalt und Ansehn, mit cœberredung und List zur Ruhe und fc¼hrte zum Erstaunen der Welt ein rebellisches Volk in wenigen Monaten zu seiner Pflicht zurc¼ck. Alba. Ich leugne es nicht. Der Tumult ist gestillt, und jeder scheint in die Grenzen des Gehorsams zurc¼ckgebannt. Aber hc¤ngt es nicht von eines jeden Willkc¼r ab, sie zu verlassen? Wer will das Volk hindern loszubrechen? Wo ist die Macht, sie abzuhalten? Wer bc¼rgt uns, dacŸ sie sich ferner treu und untertc¤nig zeigen werden? Ihr guter Wille ist alles Pfand, das wir haben. Egmont. Und ist der gute Wille eines Volks nicht das sicherste, das edelste Pfand? Bei Gott! Wann darf sich ein Kc¶nig sicherer halten, als wenn sie alle fc¼r einen, einer fc¼r alle stehn? Sicherer gegen innere und c¤ucŸere Feinde? Alba. Wir werden uns doch nicht c¼berreden sollen, dacŸ es jetzt hier so steht? Egmont. Der Kc¶nig schreibe einen Generalpardon aus, er beruhige die Gemc¼ter; und bald wird man sehen, wie Treue und Liebe mit dem Zutrauen wieder zurc¼ckkehrt. Alba. Und jeder, der die Majestc¤t des Kc¶nigs, der das Heiligtum der Religion geschc¤ndet, ginge frei und ledig hin und wider! lebte den andern zum bereiten Beispiel, dacŸ ungeheure Verbrechen straflos sind? Egmont. Und ist ein Verbrechen des Unsinns, der Trunkenheit nicht eher zu entschuldigen, als grausam zu bestrafen? Besonders wo so sichre Hoffnung, wo GewicŸheit ist, dacŸ die cœbel nicht wiederkehren werden? Waren Kc¶nige darum nicht sicherer? Werden sie nicht von Welt und Nachwelt gepriesen, die eine Beleidigung ihrer Wc¼rde vergeben, bedauern, verachten konnten? Werden sie nicht eben deswegen Gott gleich gehalten, der viel zu grocŸ ist, als dacŸ an ihn jede Lc¤sterung reichen sollte? Alba. Und eben darum soll der Kc¶nig fc¼r die Wc¼rde Gottes und der Religion, wir sollen fc¼r das Ansehn des Kc¶nigs streiten. Was der obere abzulehnen verschmc¤ht, ist unsere Pflicht zu rc¤chen. Ungestraft soll, wenn ich rate, kein Schuldiger sich freuen. Egmont. Glaubst du, dacŸ du sie alle erreichen wirst? Hc¶rt man nicht tc¤glich, dacŸ die Furcht sie hie- und dahin, sie aus dem Lande treibt? Die Reichsten werden ihre Gc¼ter, sich, ihre Kinder und Freunde flc¼chten; der Arme wird seine nc¼tzlichen Hc¤nde dem Nachbar zubringen. Alba. Sie werden, wenn man sie nicht verhindern kann. Darum verlangt der Kc¶nig Rat und Tat von jedem Fc¼rsten, Ernst von jedem Statthalter; nicht nur Erzc¤hlung, wie es ist, was werden kc¶nnte, wenn man alles gehen liecŸe, wie's geht. Einem grocŸen cœbel zusehen, sich mit Hoffnung schmeicheln, der Zeit vertrauen, etwa einmal dreinschlagen, wie im Fastnachtsspiel, dacŸ es klatscht und man doch etwas zu tun scheint, wenn man nichts tun mc¶chte, heicŸt das nicht, sich verdc¤chtig machen, als sehe man dem Aufruhr mit Vergnc¼gen zu, den man nicht erregen, wohl aber hegen mc¶chte! Egmont (im Begriff aufzufahren, nimmt sich zusammen und spricht nach einer kleinen Pause gesetzt). Nicht jede Absicht ist offenbar, und manches Mannes Absicht ist zu micŸdeuten. MucŸ man doch auch von allen Seiten hc¶ren: es sei des Kc¶nigs Absicht weniger, die Provinzen nach einfc¶rmigen und klaren Gesetzen zu regieren, die Majestc¤t der Religion zu sichern und einen allgemeinen Frieden seinem Volke zu geben, als vielmehr sie unbedingt zu unterjochen, sie ihrer alten Rechte zu berauben, sich Meister von ihren Besitztc¼mern zu machen, die schc¶nen Rechte des Adels einzuschrc¤nken, um derentwillen der Edle allein ihm dienen, ihm Leib und Leben widmen mag. Die Religion, sagt man, sei nur ein prc¤chtiger Teppich, hinter dem man jeden gefc¤hrlichen Anschlag nur desto leichter ausdenkt. Das Volk liegt auf den Knien, betet die heiligen gewirkten Zeichen an, und hinten lauscht der Vogelsteller, der sie berc¼cken will. Alba. Das mucŸ ich von dir hc¶ren? Egmont. Nicht meine Gesinnungen! Nur was bald hier bald da, von GrocŸen und von Kleinen, Klugen und Toren gesprochen, laut verbreitet wird. Die Niederlc¤nder fc¼rchten ein doppeltes Joch, und wer bc¼rgt ihnen fc¼r ihre Freiheit? Alba. Freiheit? Ein schc¶nes Wort, wer's recht verstc¤nde. Was wollen sie fc¼r Freiheit? Was ist des Freiesten Freiheit? - Recht zu tun! - und daran wird sie der Kc¶nig nicht hindern. Nein! nein! sie glauben sich nicht frei, wenn sie sich nicht selbst und andern schaden kc¶nnen. Wc¤re es nicht besser, abzudanken, als ein solches Volk zu regieren? Wenn auswc¤rtige Feinde drc¤ngen, an die kein Bc¼rger denkt, der mit dem Nc¤chsten nur beschc¤ftigt ist, und der Kc¶nig verlangt Beistand: dann werden sie uneins unter sich, und verschwc¶ren sich gleichsam mit ihren Feinden. Weit besser ist's, sie einzuengen, dacŸ man sie wie Kinder halten, wie Kinder zu ihrem Besten leiten kann. Glaube nur, ein Volk wird nicht alt, nicht klug; ein Volk bleibt immer kindisch. Egmont. Wie selten kommt ein Kc¶nig zu Verstand! Und sollen sich viele nicht lieber vielen vertrauen als einem? und nicht einmal dem einen, sondern den wenigen des einen, dem Volke, das an den Blicken seines Herrn altert. Das hat wohl allein das Recht, klug zu werden. Alba. Vielleicht eben darum, weil es sich nicht selbst c¼berlassen ist. Egmont. Und darum niemand gern sich selbst c¼berlassen mc¶chte. Man tue, was man will; ich habe auf deine Frage geantwortet und wiederhole: Es geht nicht! Es kann nicht gehen! Ich kenne meine Landsleute. Es sind Mc¤nner, wert, Gottes Boden zu betreten; ein jeder rund fc¼r sich, ein kleiner Kc¶nig, fest, rc¼hrig, fc¤hig, treu, an alten Sitten hangend. Schwer ist's, ihr Zutrauen zu verdienen; leicht, zu erhalten. Starr und fest! Zu drc¼cken sind sie; nicht zu unterdrc¼cken. Alba (der sich indes einigemal umgesehen hat). Solltest du das alles in des Kc¶nigs Gegenwart wiederholen? Egmont. Desto schlimmer, wenn mich seine Gegenwart abschreckte! Desto besser fc¼r ihn, fc¼r sein Volk, wenn er mir Mut machte, wenn er mir Zutrauen einflc¶cŸte, noch weit mehr zu sagen. Alba. Was nc¼tzlich ist, kann ich hc¶ren wie er. Egmont. Ich wc¼rde ihm sagen: Leicht kann der Hirt eine ganze Herde Schafe vor sich hintreiben, der Stier zieht seinen Pflug ohne Widerstand; aber dem edeln Pferde, das du reiten willst, mucŸt du seine Gedanken ablernen, du mucŸt nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen. Darum wc¼nscht der Bc¼rger seine alte Verfassung zu behalten, von seinen Landsleuten regiert zu sein, weil er weicŸ, wie er gefc¼hrt wird, weil er von ihnen Uneigennutz, Teilnehmung an seinem Schicksal hoffen kann. Alba. Und sollte der Regent nicht Macht haben, dieses alte Herkommen zu verc¤ndern? und sollte nicht eben dies sein schc¶nstes Vorrecht sein? Was ist bleibend auf dieser Welt? und sollte eine Staatseinrichtung bleiben kc¶nnen? MucŸ nicht in einer Zeitfolge jedes Verhc¤ltnis sich verc¤ndern und eben darum eine alte Verfassung die Ursache von tausend cœbeln werden, weil sie den gegenwc¤rtigen Zustand des Volkes nicht umfacŸt? Ich fc¼rchte, diese alten Rechte sind darum so angenehm, weil sie Schlupfwinkel bilden, in welchen der Kluge, der Mc¤chtige, zum Schaden des Volks, zum Schaden des Ganzen, sich verbergen oder durchschleichen kann. Egmont. Und diese willkc¼rlichen Verc¤nderungen, diese unbeschrc¤nkten Eingriffe der hc¶chsten Gewalt, sind sie nicht Vorboten, dacŸ einer tun will, was Tausende nicht tun sollen? Er will sich allein frei machen, um jeden seiner Wc¼nsche befriedigen, jeden seiner Gedanken ausfc¼hren zu kc¶nnen. Und wenn wir uns ihm, einem guten weisen Kc¶nige, ganz vertrauten, sagt er uns fc¼r seine Nachkommen gut? dacŸ keiner ohne Rc¼cksicht, ohne Schonung regieren werde? Wer rettet uns alsdann von vc¶lliger Willkc¼r, wenn er uns seine Diener, seine Nc¤c